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PAUKEN & Trompeten: Der Clash der Klänge

örg Königsdorf will nicht zum Spezialisten. Zum Glück hat die Vernachlässigung des interdisziplinären Dialogs in der Musik nicht so ernste Folgen wie in der Medizin.

Nicht nur in Medizin und Wissenschaft, auch in der Musik ist die Spezialisierung die prägende Entwicklungslinie der letzten hundert Jahre. Hier wie dort wimmelt es von Fachleuten, die zwar ihr Metier bis ins Effeff beherrschen, aber sich kaum noch einen Blick über ihre Sektorengrenzen hinaus gestatten – in der nicht ganz unberechtigten Ahnung, dass ihr Kompetenzvorsprung dahinschmelzen könnte, wenn sie plötzlich mit völlig anderen Aufgaben konfrontiert werden. Zum Glück hat die Vernachlässigung des interdisziplinären Dialogs in der Musik nicht so ernste Folgen wie in der Medizin: Sie tut niemandem weh und ihr Hauptsymptom ist lediglich Langeweile.

Dass Beethoven-Sinfonien und Jazz-Improvisationen oft so klingen, als würde ein immergleiches Ritual mit minimalen Veränderungen zelebriert, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass die Musiker sich in der Regel auf solchen Einbahnstraßen bewegen. Umso willkommener ist das Konzept, das die Macher von Shared Sounds ihrem Festival zugrunde gelegt haben. In den Konzerten und Workshops, die vom Donnerstag bis Sonntag im Radialsystem stattfinden, geht es darum, die Grenzen zwischen den verschiedenen Genres durchlässiger zu machen und zu schauen, wie sich Jazz, Klassik und Volksmusik, Improvisation und Komposition gegenseitig befruchten können.

Im Hindergrund des Festivals steht das Label ECM, dessen Gründer Manfred Eicher sich seit fast vierzig Jahren für die Kontaktpflege zwischen den Stilen einsetzt und beispielsweise Musiker wie das Hilliard Ensemble und den Saxofonisten Jan Garbarek zusammen gebracht hat. Die meisten Festivalmusiker sind im Katalog von ECM vertreten oder werden es bald sein, wie die griechische Sängerin Savina Yannatou, die mit ihrem Ensemble Primavera en Salonico am Donnerstag den Reigen eröffnet. Geteilt werden, getreu dem Motto, die verschiedensten Klänge: Beim norwegischen Christian Wallumrod Ensemble, das am Sonntag das Abschlusskonzert bestreitet, reicht das Instrumentenspektrum von der Barockharfe bis zum Toy Piano, das schwedische Trio Mediaeval, das Samstag an der Reihe ist, hat experimentelle Gesangstechniken ebenso im Repertoire wie die Engelstöne für mittelalterliche Pilgergesänge. Dass aus Deutschland lediglich die Geigerin Carolin Widmann mit einer Konfrontation italienischer Barockmusik mit den sechs Capriccci des italienischen Extremtöners Salvatore Sciarrino mit dabei sind ist ein Indiz dafür, dass im Land der hundert Edelorchester die Spezialisierung besonders weit fortgeschritten ist. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Jörg Königsdorf

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