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Rockmusiker Peter «Cäsar» Gläser ist tot

© dpa

Peter Gläser - ein Nachruf: Alles ist im Gehn

Die Stimme der Klaus-Renft-Combo: Zum Tod von Peter „Cäsar“ Gläser.

Am 1. November 1965 meldet die „Leipziger Volkszeitung“, dass gestern „eine Anzahl von Rowdys und Gammlern“ versuchte, „das friedliche Leben unserer Stadt zu stören“. Die Anführer konnten jedoch „einer Arbeit zugeführt werden“. Das war der „Leipziger Beataufstand“. Ein 17-jähriger Leipziger Elektromonteurslehring, der Blockflöte, Fagott, Klarinette und Klavier spielt, steht auch auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz, um gegen das Verbot der Leipziger Butlers zu demonstrieren. Doch als der Polizei- Schäferhund neben ihm kaum noch an der Kette zu halten ist, läuft er weg.

Kurz darauf sitzt der Wegläufer mit Klaus Renft, dem Chef der verbotenen Butlers, auf einer kalten Leipziger Parkbank. Er singt ihm „Monday, Monday“ vor, es kann nicht nach Blockflöte geklungen haben, denn ab sofort darf der Junge bei den illegalen Auftritten in der „Intermezzo“-Bar mitspielen. Allerdings nur bis 22 Uhr, dann holt sein Vater den Minderjährigen ab.

Wer die Puhdys oder Karat für die DDR-Rockmusik hält, weiß nichts von Renft.

Sollte man nur zwei, drei Titel der DDR-Rockmusik nennen, die bleiben werden – sie wären von ihm, von Peter Gläser, genannt „Cäsar“. „Wer die Rose ehrt“ und der „Apfeltraum“. Er singt sie weich und liedhaft, ganz anders als Thomas „Monster“ Schoppe, der Mann mit der Urschrei-Stimme – zweiter musikalischer Kopf von Renft und Perfektionist wie er.

Wer die Puhdys oder Karat für die DDR-Rockmusik hält, weiß nichts von Renft. Es waren verschiedene Welten. Das anarchische, unzähmbare Moment des Rock – Renft hatte es, nichts war bieder, nichts banal. Gläser, der jüngste, war der Erste bei Renft. 1968 standen sie zum ersten Mal unter diesem Namen auf der Bühne, vor genau vierzig Jahren. Die Siebziger der DDR klingen für viele noch immer nach ihnen – rau, poetisch und nach ungemessenem Aufbruch. In eingemauerten Ländern spürt man das stärker. Und jeder Mensch unter einem Kopfhörer ist schon im Exil.

Gläser hat die anderen nicht verraten – aber sich selbst.

Gläser war der Letzte der Gruppe, der die DDR verließ – im Frühjahr 1989. Auf ihn warf sie ihren längsten Schatten. Die Staatssicherheit hatte ihn geholt, als er mit siebzehn in der Leipziger Bar spielte. Gläser hat die anderen nicht verraten – aber sich selbst. So kam es ihm vor.

Renft brauchte nach dem Ende der DDR noch ganze 15 Jahre, um endlich wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen – alle Splittergruppen vereint, auch Cäsars „Spieler“. Das war vor drei Jahren in der Berliner Kulturbrauerei. Da wurde die Band 37. Haben sie geahnt, dass sie es bis zum Vierzigsten nicht mehr schaffen würden? Nach Gerulf Pannach, Klaus Renft, Peter Kschentz (Pjotr) und Heinz Prüfer ist nun auch Peter Gläser tot, gestorben an Krebs, kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag. Das Lied seines Lebens hat er sich selbst geschrieben, den „Wandersmann“: „Alles ist im Fließen / Alles ist im Gehn / … Komm gut an, nicht zurück / Wandersmann, komm gut an …“

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