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Sängerin Sharon Robinson: "Das ist die Krönung"

Niemand hat Leonard Cohens Werk der vergangenen Jahre so sehr geprägt wie die Amerikanerin Sharon Robinson. Vor dem Berlin-Konzert spricht Sharon Robinson mit dem Tagesspiegel über ihre Zusammenarbeit mit Leonard Cohen.

Sharon Robinson schrieb für Cohen die Musik seines Comeback-Albums „Ten New Songs“ (2001), Teile von „Dear Heather“ (2004) und sie war an Cohen-Klassikern wie „Everybody Knows“ beteiligt. Auch für viele andere Künstler – Diana Ross, Roberta Flack, Rufus Wainwright, Ute Lemper – hat die aus Los Angeles stammende Grammy-Gewinnerin komponiert. Im Sommer erschien ihr erstes Soloalbum („Everybody Knows“). Nun ist sie, wie schon 1979/80, als Sängerin mit Leonard Cohen auf Tour. Am 4. Oktober spielt der große alte Meister mit seiner Band in der Berliner O2-Arena.

Mrs. Robinson, es ist eigentlich unhöflich, nicht über Ihre eigene Arbeit, sondern über die mit Leonard Cohen zu sprechen. Aber Sie sind es wohl gewohnt.

Durchaus (lacht).

Wie ist es, heute mit ihm unterwegs zu sein, verglichen mit damals?

Das ist eine schwierige Frage. Man hat ja noch immer mit demselben wunderbaren und großmütigen Menschen, diesem großen Geist, zu tun – und zu einem guten Teil mit derselben Musik. Einer der größten Unterschiede ist sicher der Klang seiner Stimme. Sie hat jetzt eine sehr tiefe Lage, dabei aber einen sehr angenehmen Klang, voll und reich. Leonard scheint beim Singen große Freude zu empfinden.

Auf der Bühne zeigt er sich überraschend entspannt und heiter.

Das ist so. Er hat sich sehr viel Zeit genommen, die Band zusammenzustellen und zu proben, die Arrangements auszuarbeiten. Es ist, als ob wir alle auf einem fliegenden Teppich schwebten. Es ist ein echtes Phänomen.

Warum ist Leonard Cohen nach 15 Jahren wieder auf Tour gegangen? War der Grund tatsächlich das Geld? Seine ehemalige Managerin hat ihn laut Gericht um seine Altersversorgung, mehrere Millionen Dollar, gebracht.

Nun, Geld spielte sicher eine Rolle. Ich habe aber den Eindruck, er genießt das Unterwegssein und die Konzerte. Das hatte so vielleicht niemand, nicht einmal er selbst, erwartet. Das ist die Krönung des Ganzen.

Cohen selbst sagt, das Alter habe seine Depressionen gelindert. Erleben Sie ihn gelöster als früher?

Er strahlt heute tatsächlich eine größere Gelöstheit aus. Eine bestimmte Art der Fröhlichkeit erlebe ich heute viel häufiger an ihm. Zugleich führt er ein strenges Regiment. Man muss ein hohes Maß an Professionalität und Disziplin aufbringen, wenn man mit ihm arbeitet.

Sie waren diejenige, die ihn nach seinem Aufenthalt im Zen-Kloster ins Geschäft zurückbrachte, als Sie 2001 mit ihm „Ten New Songs“ schrieben und aufnahmen.

Eigentlich begann unsere Zusammenarbeit schon 1999, als er mich fragte, ob ich Lieder mit ihm schreiben wollte.

Sie rüttelten also nicht am Tor von Mount Baldy?

Nein, nein, er fragte mich tatsächlich, ob ich mit ihm an neuem Material arbeiten wollte. Natürlich war ich begeistert und aufgeregt. Die Texte, an denen er während der Zeit im Kloster gearbeitet hatte, waren besondere Kunstwerke.

Wissen Sie, warum er sich fünf Jahre lang komplett zurückgezogen hat?

Er führte immer innere Kämpfe, intensive Auseinandersetzungen. Wissen Sie, es gab immer eine starke spirituelle Seite in seinem Studium des Lebens. Der Weg ins Kloster war vielleicht ein Teil davon, eine Zeit, in der er die Disziplin und die Reglementierung der Zen-Praxis benötigte, um auf dem Boden zu bleiben.

Finden Sie es manchmal schwierig, als Komponistin einen Zugang zu Cohens Texten zu finden?

Überhaupt nicht. Leonard Cohen spricht die Sprache der Seele. Er kann mit seiner Eloquenz eine große Komplexität und Tiefe menschlicher Erfahrung ausdrücken. Ich liebe aber auch seine eigene Musik. Sie reicht in eine Tiefe, die einem das Gefühl nimmt, allein zu sein. Das ist ein Grund, warum so viele Menschen sich seiner Musik so nah fühlen, über all die Jahre hinweg. Es ist, als ob man einen Begleiter in der Dunkelheit hätte.

Haben Sie ein Cohen-Lieblingslied?

Oh, ich liebe „Gipsy Wife“, ich liebe „A Thousand Kisses Deep“, das wir derzeit nur als Rezitation im Programm haben.

Ist diese Comeback-Tour gleichzeitig die Abschiedstournee? Cohen ist 74 Jahre alt.

Die Tournee begann tatsächlich als Abschied. Aber wie gesagt, Leonard hat nun so große Freude und so viel Energie, dass sich schwer sagen lässt, was kommen mag. Wir haben bereits vor Tourstart an einem neuen Album gearbeitet. Es ist eher eine Frage der Zeit, wann Cohen dazu kommt, es fertigzustellen.

Das Gespräch führte René Zipperlen.

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