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Madonna 1998

© dpa

Unendliche Karriere: Alphamädchen ohne Feminismus

Madonna ist ein multipler Gegenpol - sie spielt mit den Kontroversen und bleibt dabei doch ganz sie selbst. Denn wer ihren Namen hört, verbindet damit selten die Privatperson, die sich hinter der Kunstfigur verbirgt. Richtig so. Denn sonst wäre die Queen of Pop wahrscheinlich nie so erfolgreich geworden.

Es gibt Maschen bei Musikern, die schnell ausgelutscht sind und bereits kurze Zeit später nicht mehr den gewünschten Erfolg bringen. Und es gibt Madonna. Die 50-Jährige wandelte in ihrer bislang 25 Jahre währenden Karriere durch viele Gefilde der gängigen Imagebildung im Popbusiness. Kaum einer verstand es wie sie, Zutaten unserer Gesellschaft immer wieder zu mixen und sich damit selbst einen neuen Anstrich zu verpassen. Oder das gesamte Gebilde bei Gelegenheit wieder zu verwerfen und sich neu zu erfinden.

Berechnung ist das Zauberwort

Dass man ihr dabei keine Naivität oder gar Zufall unterstellt, ist selbstredend. Natürlich ist Madonnas Karriere von Anfang an auf (wirtschaftlichen) Erfolg ausgelegt gewesen. Sie ist durch und durch Karrierefrau, die sich nimmt, was sie braucht, obwohl sie nie weiß, welches Neuland sie da eigentlich gerade betritt. Ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen, Tabus oder Glaubensinhalte, rennt Madonna jede bis dato geschlossene Tür ein, verwüstet das Innere und hinterlässt eine völlig veränderte Wahrnehmung auf die Dinge, die vorher als konstant galten.

Ob brennende Kreuze, ein schwarzer Jesus oder laszives und obszönes Zurschaustellen diverser Sexpraktiken - Madonna tanzt auf den Gegenpolen mit spielerischer Leichtigkeit. Elternverbände, Kirchenvertreter, Sponsoren gehen ihr auf den Leim. Sie selbst scheint kein Interesse an einer Diskussion zu haben und zieht weiter. Als Pepsi aufgrund des für damalige Verhältnisse revolutionär-skandalösen Videos zu "Like a prayer" seinen Werbevertrag mit Madonna zurückzieht, entgegnet sie nur trocken: "Die hatten Angst wegen der erotischen Anspielungen. Aber sie haben gezahlt, sind abgehauen und das war's."

Madonna: ein wissenschaftliches Objekt

Die Laufbahn Madonnas wird zur Steilvorlage etlicher Soziologen und Kulturwissenschaftler, die in ihr die perfekte Manifestation der Postmoderne sehen. Zahlreiche Publikationen behandeln ihre Person als Phänomen einer neuen Ästhetik. "Identitätskonstruktionen" wird zum Lieblingswort der Theoretiker. Man unterteilt sie in Phasen und spricht von semiotischer Dichte bei der Analyse ihrer Wandlungsfähigkeit. Doch dabei gilt die Betrachtungsweise stets der Figur Madonna, nicht der des Menschen. Über Jahre hält sie ihr Privatleben bewusst auf Distanz zu ihrer Karriere. Von einigen Liebhabern und Ehemännern einmal abgesehen, bekommt die Öffentlichkeit nichts von dem mit, was dem "Kunstkonstrukt Madonna" gefährlich werden könnte.

Leicht wäre es, diese Vorgehensweise wieder in die Schublade der Berechnung zu schieben, allerdings wird man Madonna damit nicht gerecht. Trotz ihrer Skandale, ihrer beständigen Polarisation und ihrer Tabubrüche identifiziert sie sich nie mit dem schon fast stereotypen dramenartigen Verlauf einer Popstarkarriere. Ihre Laufbahn ist nicht gekennzeichnet von Aufstieg, Höhepunkt und Verfall. Drogenexzesse und Gewalteskapaden sind ihr fremd. In ihrer Lebenskurve findet sich kein Niedergang, kein Comeback. Madonna ist ein Arbeitstier. Die wohl einzige Konstante in ihrer Karriere ist ihr anhaltender Erfolg.

Sie selbst bezeichnet ihre Musik als feministisch, nicht aber sich selbst. Noch so ein Paradoxon. Die 50-Jährige konterkariert die Frauenbewegung, pfeift auf herrschende Frauenbilder und ist doch irgendwie das erste Alphamädchen der Popkultur.

Nadine Lantzsch

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