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Kultur: Popette Betancor: Warum Männer gerne laut sprechen und Frauen lieber singen

Warum gibt es keine Kabarettistinnen? Weil alle Frauen singen wollen.

Warum gibt es keine Kabarettistinnen? Weil alle Frauen singen wollen. Um eine liebreizende, sexualisierende Erscheinung abzugeben. Um den Männern zu gefallen. Warum gibt es Kabarettisten? Weil alle Männer gerne souverän, intelligent und witzig sein wollen. Um den Frauen zu gefallen. Und ins Fernsehen zu kommen.

Männer wollen nicht nur gefallen. Sie wollen auch Karriere machen. Frauen wollen nicht nur Karriere machen. Sie wollen auch gefallen. Aber nicht nur. Sie wollen auch Spaß haben an dem, was sie tun. Und ihre Ruhe haben. Männer haben gern ihre Ruhe und Spaß, hauptsächlich aber haben sie einen Beruf. Es wird behauptet, das Kabarettistentum sei hundert Jahre alt. Die Geschichte des Kabaretts ist die Geschichte der Kabarettisten und der singenden Frauen. Liesl Karlstadt, Deutschlands größte Komikerin, war Soubrette und Schauspielerin, hauptberuflich aber war sie Partnerin. Komikerin war sie nur, wenn sie Hosenrollen spielte. Und da war sie ja keine Frau. Wenn sie Frauenrollen spielte, war sie in erster Linie Opfer. Karlstadt konnte nicht singen. Zum Glück. Alle anderen Frauen im Dunstkreis des Kabaretts haben gesungen und singen noch heute. Können Frauen nicht sprechen? Doch natürlich. Sie haben immer wacker gesprochen. Über sich. Als Frauen. Und über Männer. Was befreiend war. Heute machen sich einige wenige die Mühe des politischen Kabaretts. Politisches Kabarett ist viel Arbeit. Es erfordert eine Einstellung, Recherche und diese Verve, mit der man am Unguten rüttelt. Einige Frauen haben diese Verve. Legen sie aber oft weg. Um zu singen. Warum singen Frauen? Aus Passion? Aus Gefallsucht? Oder weil sie etwas brauchen, das zwischen dem Text und ihnen steht? Einen Puffer. Der ihren Text nicht so nackt und ungeschützt im Raum stehen lässt.

Kabarettisten sagen gerne über "Kolleginnen": Sie sollte nicht sprechen. Sie sollte lieber singen. Wenn Frauen Worte absondern, ohne zu singen, bezeichnet man das für gewöhnlich als plaudern oder plappern. Wenn Kabarettisten sprechen, haben sie was zu sagen. Wenn Kabarettistinnen sprechen, gelten sie oft als schrill, und Kabarettisten sagen dann: Och nich die schon wieder, die is so laut. Und so lassen sie es sich gut gehen im Kabarettistenclub und die Frauen außen vor. Singend. Meine Damen und Herren, mein Name ist Betancor. Ich singe selbst.

Susanne Betancor

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