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POPKOMM AKTUELL: Die Suche geht weiter

Innovationen können nerven. Wie der computergesteuerte Wasserfall, den das Majorlabel Universal in Halle 18 vor seinen Stand gebaut hat.

Innovationen können nerven. Wie der computergesteuerte Wasserfall, den das Majorlabel Universal in Halle 18 vor seinen Stand gebaut hat. Dessen Düsen spritzen die Strahlen so exakt dosiert von der Decke, dass nacheinander die Namen aller Universal-Künstler als wassergenerierte Laufschrift zu Boden regnen: Eminem, The Cure, Bryan Adams, Bright Eyes, Stefanie Heinzmann. Ziemlich eindrucksvoll. Und so laut, dass die Leute vom Stand gegenüber ihre Anlage aufdrehen und mit Techno gegenhalten müssen.

Nein, den Wasserfall meint Staatsminister Bernd Neumann sicher nicht, als er auf seinem Messerundgang von dringend willkommenen Innovationen spricht. Das I-Wort hört man hier überall – denn Innovationen sind weiter überlebensnotwendig in einer Branche, die so gebeutelt ist, dass Umsatzrückgänge von aktuell nur noch drei Prozent pro Jahr schon als Sieg gefeiert werden. Staatsminister Neumann sagt, „manche Tendenzen im Tonträgermarkt“ könnten „zumindest vorsichtig positiv bewertet werden“. Zaghafter kann man es nicht formulieren. Klar, es gibt sie, die kreativen, neuen Vermarktungs- und Verwertungsideen. Man findet sie auf der Popkomm an jedem zweiten Stand, und die meisten haben mit Internet zu tun. Zwar kommen von den 1,6 Milliarden Euro, die in Deutschland 2007 mit dem Verkauf von Musik umgesetzt wurden, nur sechs Prozent aus dem Downloadgeschäft. Aber immerhin gibt es hohe Zuwachsraten. Im ersten Halbjahr 2008 waren es wieder 40 Prozent. Da wäre zum Beispiel „Rawrip“, ein Tool aus Großbritannien, das es Künstlern nun erlaubt, ihre Songs

direkt von ihrer Myspace-Seite aus zu verkaufen. Oder „ArtistXite“ aus Kanada: Die Firma hat ein Programm für Blogger und Musikjournalisten entwickelt. Wer im Internet künftig über Musik schreibt, soll gleich zum Kauf animieren und einen Link auf die ArtistXite-Seite setzen. Kauft der Leser dort ein, verdient nicht nur der Künstler, sondern auch der Anpreiser. Die Popkomm- Leitung nennt das Konzept „revolutionär“. Leider streikt am ArtistXite-Stand der Computer, der die Präsentation abfahren soll.

Musiker sind rar auf der Fachmesse. Der bekannteste ist Robin Gibb, der Jüngste der Bee Gees, und er ist heute nicht zum Singen gekommen, sondern um sich zu beschweren. Gibb ist Vorsitzender der Cisac, des weltweiten Dachverbands der nationalen Rechteverwerter. Seit drei Jahren liegt die Cisac im Clinch mit der EU-Kommission, weil die das System der Rechteverwertung liberalisieren will. Davon wäre auch die deutsche Gema betroffen – als ob die Branche nicht schon genug Baustellen hätte. Aber Gibb will angreifen, zur Not „vor den Europäischen Gerichtshof ziehen“.

Die Bundesregierung ist auf Gibbs Seite, sagt Bernd Neumann. Und dass die deutsche Politik ohnehin einiges für die Musikbranche tue. Da ist zum Beispiel das Förderprogramm „Initiative Musik“, Neumann hat es im Vorjahr auf der Popkomm vorgestellt, nun zeigt es erste Ergebnisse. 40 deutsche Bands bekommen Geld, im Durchschnitt 20 000 Euro: die Ohrbooten, Anajo, Barbara Morgenstern. 1000 Robota aus Hamburg wollen das Geld nutzen, um mit einer Tour den britischen Markt zu erobern. Es kann eine Chance sein. Hoffentlich. „Die Suche geht weiter“, steht auf einem Plakat. Nein, es ist nicht das Motto der Popkomm – sondern der Name des neuen Rosenstolz-Albums. Sebastian Leber

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