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Kultur: Porno für Pappnasen

„Frosch“: Männerabend in der Volksbühne Berlin

Zwei Typen hängen rum, kiffen und spülen mit Whisky Pillen runter. Dabei schwadronieren sie über das Leben, über Kunst, Monogamie und Nabelpiercings. Gastgeber Humbert (Stefan Richter) ist eigentlich nur auf der „Suche nach dem richtigen Loch“, was Peter (Axel Wandtke) „sehr romantisch“ findet. „Frosch“ ist eine Gemeinschaftsarbeit der österreichischen Autoren Hakon Hirzenberger und Paul Harather („Indien“). 2003 hat Harather aus dem Text einen No-Budget-Film gemacht, nun führt Hirzenberger in der Volksbühne Regie. Er inszeniert einen manchmal witzigen, oft schwitzigen Männerabend unter dem neonrosa Namenszug des Hotels „Romantic World“, dem Zentrum von Bert Neumanns wohncontainerhafter „Neustadt“-Kulisse. Zur grellen Leuchtreklame passen die einschlägigen Annoncen, die die beiden Künstlertypen studieren („Nackedei massiert allerlei.“ – „Das ist mir zu unkonkret.“). Humbert will zwei Nackedeis bestellen, Peter ist fürs Tauschen: „Ich bestell’ beim Pizzaservice auch lieber eine Große für alle, das ist familiärer.“ Wenn das nicht so pointiert wäre, wär’s zum Speien.

Während sie auf ihre Bestellung warten, ziehen sie über Humberts Kumpel Felix Frosch her. Frosch ist auch ein Kreativer, der zeichnet, schreibt und musiziert. Ihm gegenüber fühlen sich die beiden Schlaffis als „Avantgarde“. Dabei ist es Frosch, der produktiv mit seiner Einsamkeit umgeht. In ihren besten Momenten macht Hirzenbergers Inszenierung spürbar, wie eingesperrt die Figuren sind – in ihrer Arroganz, Schwäche und Triebhaftigkeit. Da ist der aufgeklappte Umzugskarton, in dem Humbert und Peter eng beieinander stehen und rauchen. Die beiden Pappnasen bleiben auch fixiert, als sich eine Studentin (Irina Kastrinidis) in der Wohnungstür irrt und Sätze fallen wie „Magst einen Sekt? Macht auch geil“. Endlich kommt die bestellte Französin (ebenfalls Irina Kastrinidis): „Bonjour, je suis Michou.“ Mit Straps und Negligé, Powackeltanz und Klimperwimpern bleibt sie als Figur zwar flach. Bald darauf aber klemmt der Kopf des stehenden Humbert in Michous Beinschere, während der nur noch mit Socken bekleidete Peter ihren Oberkörper in der Luft hält – ein bizarrer Höhepunkt. Es wird dann auch nichts mit dem Sex.

Dafür folgt die Erkenntnis: „Wir sind einfach traurige, egoistische, kleinbürgerliche, selbstmitleidige, impotente, süchtige, abgefuckte, erfolglose, dumme, perfide, miese, intrigante, selbstgefällige Arschlöcher“, sagt Humbert. Recht hat er. Für die wirklich bedeutsamen Dinge des Lebens haben die beiden vor lauter Sex, Drugs und Selbstmitleid den Blick längst verloren. Dass Peter Vater wird, dass Froschs Mutter gestorben ist, erreicht sie so wenig wie Froschs Kunst. Am Ende gehen Humbert und Peter Hand in Hand von der Bühne. Eigentlich stecken sie noch fest im Karton.

Noch einmal heute, 20 Uhr.

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