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Nicht nur schön. Jannis Niewöhner, 25, kann lächeln wie der König vom Highschool-Ball. Aber ihm gelingen im Film auch kantige Charaktere.

© D. Spiekermann/Klaas

Porträt Schauspieler Jannis Niewöhner: Neue deutsche Welle

Vom Teenieschwarm ins Charakterfach: Schauspieler Jannis Niewöhner hat gerade einen guten Lauf. Nun spielt er in der Horváth-Verfilmung „Jugend ohne Gott“. Eine Begegnung.

Eines Tages konnte er ihn einfach nicht mehr hören, diesen Satz: Vergiss es, Charakterrollen bekommst du nicht, dafür bist du einfach zu glatt. Jannis Niewöhner ist wütend geworden, hat sich den dunkelblonden Schopf abrasiert, eine Bomberjacke angezogen und ist in dieser Aufmachung zum Casting für das Drama „4 Könige“ gestapft. Ausgerechnet für die Rolle des Timo hat er bei Regisseurin Theresa von Eltz vorgesprochen.

Ihr Drama spielt in der Jugendpsychiatrie. Timo ist ein notorischer Schläger, der wegen seiner brutalen Ausfälle sogar in die geschlossene Abteilung gesperrt wird. Wahrlich keine übliche Rolle für Jannis Niewöhner, der in Filmen mitspielt, seit er zehn ist, und mit der „Edelstein-Trilogie“, also den Verfilmungen der Fantasy-Romane „Liebe geht durch alle Zeiten“ von Kerstin Gier der deutsche Teenieschwarm geworden ist.

So ein verkorkster Einzelgänger wie Timo ist ein anderes Kaliber als der romantische Zeitreisende Gideon de Villier, der außer fechten und küssen hauptsächlich gut aussehen muss. Und doch hat Niewöhners darstellerische Energie beim Vorsprechen verfangen. „Die Regisseurin hat tatsächlich ein anderes Bild von mir bekommen. Und ich habe verstanden, dass alles an mir und meinem Willen liegt“, sagt Jannis Niewöhner beim Treffen in Charlottenburg.

„4 Könige“ hat vor zwei Jahren dann den Deutschen Filmpreis in Bronze gewonnen. Und auch sonst hat Niewöhner, der aus Krefeld stammt, aber seit 2011 in Berlin lebt, gerade einen ziemlichen Lauf. Auf der Berlinale 2015 wurde er zum „European Shooting Star“ gekürt. 2016 war er mit dem Drama „Jonathan“ ebenfalls bei den Filmfestspielen vertreten: Er spielt darin einen Jungbauern, der seinen todkranken Vater pflegt; dieser steht erst am Lebensende zu seiner Homosexualität. Dafür und für die Hauptrolle in „Jugend ohne Gott“ wurde er mit dem Bayerischen Filmpreis für den besten Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. Alain Gsponers recht frei ausgefallene Adaption des 1937 erschienenen Romans von Ödön von Horváth kommt jetzt ins Kino.

Im September kommt eine Komödie, im Oktober ein Historien-Mehrteiler

Im September ist der 25 Jahre alte Schauspieler dann in Anika Deckers Gesellschaftskomödie „High Society“ wieder als romantischer Held unterwegs und zeigt in der Rolle des Polizisten Yann sein Sixpack. Und Anfang Oktober spielt er die Titelrolle in dem dreiteiligen ZDF-Mittelalterschinken „Maximilian: Das Spiel von Liebe und Macht“ des österreichischen Regisseurs Andreas Prochaska.

Offensichtlich bemerken Casting-Agentinnen und Regisseure, dass Niewöhner etwas hat, was es beim deutschen Schauspielernachwuchs nicht so häufig gibt: einen trainierten Körper und eine positive Ausstrahlung, die zusammen einen fast amerikanisch anmutenden Starappeal ergeben. Sowie den Mut und das schauspielerische Vermögen, nicht nur Sonnyboy- Rollen in Unterhaltungsfilmen anzunehmen, sondern auch differenzierte Parts in Arthouse-Dramen auszufüllen.

Chipkontrolle. Zach (Jannis Niewöhner) und Nadesh (Alicia von Rittberg) beim Waldlauf im Kinofilm "Jugend ohne Gott".
Chipkontrolle. Zach (Jannis Niewöhner) und Nadesh (Alicia von Rittberg) beim Waldlauf im Kinofilm "Jugend ohne Gott".

© Marc Reimann/Constantin Film/dpa

Die Produktionsfirma Constantin hat ihn für „Jugend ohne Gott“, der – ähnlich wie das Totalitarismus-Drama „Die Welle“ von Dennis Gansel (2008) – als Jugend-Unterhaltungsfilm mit Tiefgang konzipiert ist, noch vor Regisseur Alain Gsponer ins Boot geholt. Gsponer hat sich zuletzt durch seine erdige Neuverfilmung von „Heidi“ (2015) für das Projekt empfohlen, Niewöhner durch seinen in zahllosen Jugendfilmen erworbenen Ruf, ein Kassengarant zu sein. „Zumindest erhoffen sie sich das“, sagt er und lacht, als er darauf angesprochen wird.

Von Ehrgeiz zerfressen scheint er im echten Leben zumindest nicht zu sein. Begriffe wie Wettbewerb und Leistung, die in dem Schülerdrama großgeschrieben werden, hätten ihm nie was gebracht. „Dem Elitedenken habe ich mich als Abiturient total verweigert. Das ist mein Grundprinzip im Leben, sich nie mit anderen zu vergleichen. Auch bei Castings nicht. Ich mache das sowieso wie kein anderer, weil es jeder andere auch so macht wie kein anderer.“

Das Ensemble von „Jugend ohne Gott“, zu dem Fahri Yardim und Anna Maria Mühe gehören, die einen soften Lehrer und eine taffe Psychologin spielen, kommt direkt vom Flughafen. Am Vorabend war die Münchner, ein paar Stunden später steigt die Berliner Premiere. Und obwohl der Zeitplan von Jannis Niewöhner hängt, ist er ganz höfliche Zugewandtheit. Der Mann ist Profi.

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Sein Handwerk hat er aber nicht an der Schauspielakademie gelernt, sondern durchs Abgucken und Spielen. Niewöhners Vater ist ebenfalls Schauspieler. Er hat ein Kinder- und Jugendtheater mitgegründet und dem Sohn erste Castings vermittelt. Bei der Aufnahmeprüfung an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ist der Junior mit 16 trotzdem durchgefallen. Nicht schlimm, winkt er im Nachhinein ab. Er fühlt sich vor der Kamera wohler als auf der Bühne. Am Theater habe ihm die Attitüde, immer große Kunst machen zu wollen, Angst gemacht, sagt Niewöhner. „Und als Zuschauer gehen mir moderne Stücke meist nicht nahe, die verstehe ich auch oft nicht.“ Das Kino sieht er dagegen als Kraft, die das Leben verändert. „Andere Leute bekommen durch Bücher Selbstbewusstsein und eine aufrechte Haltung, einen Glauben. Bei mir läuft das über Filme.“ Nämlich welche? „Good Will Hunting“, „Absolute Giganten“ und „Was nützt die Liebe in Gedanken“ fallen ihm als erste ein. Auch schön: Niewöhner, der lächelt wie der König vom Highschool-Ball, ist einer, der seine Motivation aus der Magie des Kinos statt aus der Realität bezieht.

Leistungsdruck im Leitungsteam. Der Lehrer (Fahri Yardim) und die Psychologin (Anna Maria Mühe) machen in "Jugend ohne Gott" die Ansagen.
Leistungsdruck im Leitungsteam. Der Lehrer (Fahri Yardim) und die Psychologin (Anna Maria Mühe) machen in "Jugend ohne Gott" die Ansagen.

© Marc Reimann/Constantin Film/dpa

Angesichts der Wirklichkeit in Ödön von Horváths von den Nationalsozialisten verfemtem Werk „Jugend ohne Gott“ nur zu verständlich. Darin bearbeitet der österreichische Schriftsteller Rassendiskriminierung und Opportunismus in Nazi-Deutschland am Beispiel einer Schüler- und Lehrergeschichte. Alain Gesponsers Film macht daraus eine Dystopie, die in einer nahen Zukunft spielt. Die Oberschicht lebt in futuristischen Hochhäusern aus Glas und Stahl, die Unterschicht drängelt sich in ärmlichen Gemeinschaftswohnungen, die an Sowjet-Kommunalkas erinnern. Die Upperclass lernt in Nobelinstituten, in den Unterschicht-Schulen tobt der Plebs über Tische und Bänke. Und die Natur ist nur noch in Reservaten unversehrt. Jannis Niewöhner spielt Zach. Der Absolvent einer Eliteschule will sich in einem Leistungscamp in den Bergen – da lassen die „Tribute von Panem“ grüßen – gegen seine Mitschüler durchsetzen, um einen Studienplatz zu ergattern. Im Gegensatz zu seinen Mitschülern aber nicht um den Preis von Moral und Individualität, wie sich bald herausstellt. Und als dann noch Ewa (Emilia Schüle) als Anführerin einer Gruppe von Illegalen im Wald auftaucht und Nadesh (Alicia von Rittberg) ermordet aufgefunden wird, verweigert sich Zach dem auf digitaler Überwachung und Druck fußenden System.

Eine Haltung, die seinem Darsteller sympathisch ist, auch wenn er „Jugend ohne Gott“ eher als bildungskritischen denn als politischen Film versteht. „Es geht ja darum, dass der Konkurrenzkampf die Kreativität zerstört.“ Er wünsche sich in den Schulen mehr Freiräume. Dass Bildung jedem die Chance gebe, die eigenen Stärken zu erkennen und weniger zwischen falsch und richtig, wertvoll und weniger wertvoll unterscheide, sagt Jannis Niewöhner: „Das Leben und der Mensch sind ja viel mehr.“

„Jugend ohne Gott“ startet Donnerstag in 16 Berliner Kinos, „High Society“ am 14. 9. „Maximilian: Das Spiel von Macht und Liebe“ läuft am 1., 2., 3. 10. im ZDF.

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