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Die Autorin und Sängerin Monika Zeiner.

© Björn Kietzmann

Porträt Monika Zeiner: Schau, was für ein Mond

Neapel, Jazz und eine Dreiecksgeschichte: Die Berliner Schriftstellerin und Sängerin Monika Zeiner ist mit ihrem Debütroman „Die Ordnung der Sterne über Como“ für den Deutschen Buchpreis nominiert. Ein Treffen.

Hätte Monika Zeiner auf die Lektoren gehört, die ihr Buch als Erste in die Finger bekommen hatten, wäre es jetzt 300 Seiten kürzer. Um etliche Protagonisten ärmer. Und vermutlich nicht für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Schon der Titel ihres Debüts „Die Ordnung der Sterne über Como“ (Blumenbar, 607 Seiten, 19,99 €) verrät, dass der Leser es nicht gerade mit literarischem Fastfood zu tun bekommt. Stattdessen erzählt Zeiner auf 600 Seiten die lethargische, reflektierende Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen Berlin und Neapel. Wie viel Liebe erträgt eine Freundschaft? – fragt sich die Rückseite des braunen Buchumschlags. Weil dieses Problem offenbar viele Menschen beschäftigt, avancierte Zeiners Debüt seit diesem Frühjahr zu einem kleinen Publikumsliebling; einem Geheimtipp unter den Beziehungsromanen.

Berlin und Neapel – das sind zwei Metropolen, die vor Gegensätzen nur so strotzen. Zu beiden Städten hat die 42-jährige Autorin, die aus Würzburg stammt, einen engen Bezug: In Berlin studierte sie Romanistik und Theaterwissenschaft, wurde heimisch, lebt auch heute noch hier. In Neapel verbrachte sie ein Jahr, an das sie sich heute noch begeistert erinnert. Weil es sie geprägt hat.

„Ich habe in einem alten Palazzo gewohnt, direkt am Eingang der Quartieri Spagnoli. Die Wohnung gehörte der verstorbenen Schwester meiner Vermieterin und war nie ausgeräumt worden. Es waren jede Menge Kleider darin, Zwanziger-Jahre-Kostüme, Federboas, Schuhe. Und Platten. Schallplatten mit neapolitanischen Volksliedern“, sagt Zeiner. Sie sitzt in einem ihrer Lieblingscafés, trinkt Latte Macchiato. Die Bedienung hinter der Bar regelt auf Italienisch ein paar Familienangelegenheiten. Zeiner hört mit einem Ohr zu, lächelt. Sie versteht es natürlich.

„Ich habe mich gehütet, in Kitsch abzudriften“, sagt Zeiner

Es seien die Schallplatten gewesen, sagt Zeiner, die ihre Begeisterung für die italienische Musik, ja sogar für den kampanischen Dialekt geweckt haben. Zurück in Berlin dachte sie deshalb erst einmal weniger an Literatur als an die Musik, die sie so beeindruckt hatte. Sie gründete Marinafon, ein Quintett, das nach ihren Angaben „mondsüchtige Canzoni“ spielt, die „von Liebe, Tod und Meer“ handeln. Dort singt sie nicht als Monika Zeiner, sondern als Mona Stinelli – Stinelli ist der Nachname ihrer ehemaligen neapolitanischen Vermieterin. Auf dem jüngsten Album der Gruppe finden sich zwei Stücke, die auch in Zeiners Buch eine große Rolle spielen: „Love in Portofino“, das ihre literarischen Protagonisten durch die Strapazen des Lebens bis ans Grab begleitet, und „Guarda che luna“. Damit keine Verwirrung aufkommt, hat Zeiner den Titel im Buch sogar übersetzt: „Schau, was für ein Mond“.

Entgegen aller Erwartungen findet sich in „Die Ordnung der Sterne über Como“ nämlich äußerst wenig Lokalkolorit, weder in Berlin, noch in Neapel. Etliche grobe Skizzen des Berliner Nachtlebens oder des Trubels der Hafenstadt müssen genügen. „Ich habe mich gehütet, in Kitsch abzudriften“, sagt Zeiner. Das sehen die Kritiker bisher ähnlich, fanden aber andere Dinge zu beanstanden: Der Roman sei zwar gut, komme aber nur langsam in Fahrt. Zeiner benutze zu viele Metaphern. Insgesamt sei er zu ausufernd. Zeiner sagt: „Das Buch erschreckt viele Menschen, normale Leser ebenso wie Kritiker. Ich schreibe viele lange Sätze. Und das ist nicht mehr so en vogue“. Sie überlegt kurz, schüttelt den Kopf mit dem akkuraten, schwarzen Pagenschnitt: „Aber eigentlich ist es schade, sich für lange Sätze zu entschuldigen. Wozu in aller Welt gibt es Grammatik?“

Für den Buchpreis rechnet sie sich kaum Chancen aus

Die Autorin und Sängerin Monika Zeiner.
Die Autorin und Sängerin Monika Zeiner.

© Björn Kietzmann

Und so lässt sie den verweichlichten Pianisten Tom Holler seinen einzigen Freund Marc Baldur finden, ihn eine Zeit lang behalten und wieder verlieren – weil eine Frau zwischen ihnen steht. Die Geschichte ist erfüllt von der Lethargie, die nicht nur Tom spürt, sondern die auf jeder Seite, bei jeder dramaturgischen Wendung greifbar ist. Toms Geliebte schläft zwar mit ihm, siezt ihn aber weiterhin konsequent. Ein hochgeschätzter Professor wird bei seinem Tod einzig mit einem Nietzsche-Zitat bedacht. Und die Frau, die Tom und Marc die Freundschaft kostet, flüchtet nach Italien und heiratet den erstbesten Mann, der ihr einen Regenschirm anbietet. Das ist das Leben, in dem Tom – schon fast aus Trotz – keine Entscheidung selbst trifft. Und über all diesen Szenen schwebt der Jazz-Evergreen „Love in Portofino“.

Wer sie zur tragischen Figur von Tom Holler inspiriert hat, will Zeiner nicht sagen. „Es gibt jemanden, logisch“, sagt sie, und verneint lachend, dass es der Pianist des Marinafon-Quintetts gewesen sein könnte. Beinahe acht Jahre hat es gedauert, bis aus dem ersten Manuskript ein fertiges Buch geworden ist. Da kamen viele Eindrücke zusammen, die Zeiner in ihre Figuren miteinfließen ließ. Manche von ihnen mag sie mehr, manche weniger; dass Lektoren einige ihrer Nebenfiguren aber ganz streichen wollten, hat ihr nicht gepasst. „Da wurde dann gesagt: Ist die Geschichte nicht auf 200 Seiten erzählt? Im Kern wäre sie das natürlich. Aber dann hätte ich ein ganz anderes Buch geschrieben“.

Für die Verleihung des Deutschen Buchpreises am 7. Oktober rechnet sich Zeiner nicht allzu große Chancen aus. Sie wusste zunächst nicht einmal, dass ihr Verlag sie dafür vorgeschlagen hatte. Als Favorit gilt unter Kritikern Clemens Meyers Roman „Im Stein“, eine flirrende Collage aus dem Leipziger Rotlichtmilieu. Meyers harscher Stil wird oft mit dem des früh verstorbenen Jörg Fauser in Verbindung gebracht. Zeiner wurde bisher nicht verglichen, scheinbar weil es etwas Vergleichbares in deutscher Sprache nicht wirklich gibt. „Unvergleichlich?“ fragt Zeiner. Ihr Lächeln verrät: Damit kann sie gut leben.

Lesung mit Musik im Literarischen Colloquium Berlin, 14. November

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