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Preis der Nationalgalerie: Feiern im falschen Film

Der israelische Videokünstler Omer Fast gewinnt den Preis der Nationalgalerie. Drei von vier Nominierten arbeiten mit Video. Wo bleiben Malerie, Skulpturk Installation?

Jasmin Tabatabai hat den Moderatorenton perfekt drauf: „Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Bühne Kulturstaatsminister Bernd Neumann“, ruft die Schauspielerin schwungvoll in die Halle des Hamburger Bahnhofs. Und endet: „Das war der Preis der Nationalgalerie 2009“. Fehlt nur noch Tusch. Applaus. Und Abspann.

Ein bisschen Deutscher-Filmpreis-Feeling. Der Effekt ist durchaus gewünscht, bei der Verleihung des höchstdotierten deutschen Gegenwarts-Kunstpreises in Berlin, die sich, was Anzugsdichte, Redenlänge und Humorfreiheit angeht, nun endgültig einem Staatsakt nähert. Vorbei die Zeiten, als Christoph Schlingensief durch seine Moderation stolperte und bekannte, er habe zu Kunst eigentlich nichts zu sagen. Vorbei auch die Zeiten, als die nominierten Künstler von Peter Raue halb entnervt, halb augenzwinkernd zum rechtzeitigen Erscheinen im Saal getrieben werden mussten. An diesem festlichen Vorabend der Art-Forum-Eröffnung läuft im Hamburger Bahnhof alles wie am Schnürchen, bleibt sozusagen in der Sendezeit. Begrüßt werden Staatsminister, Mitglieder des Bundestags, Exzellenzen, BMW-Vorstand und Festgäste. Die Künstler kommen zuletzt.

Stolz verkündet Hausherr Udo Kittelmann, man wolle in Zukunft eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Filmakademie aufbauen. Weil sich Filmkunst und Kunstfilm längst einander angenähert haben. Deswegen Tabatabai als Moderatorin. Deswegen vielleicht auch der filmaffine Bernd Neumann als Festredner.

Die Nominierten-Auswahl des diesjährigen Jahrgangs legt das durchaus nahe: Drei von vier Künstlern arbeiten mit Video, an der Schnittstelle zwischen Film und Kunst, nur Annette Kelm macht mit ihren minimalistischen Fotoarbeiten die Ausnahme. Vielleicht hätte der Sponsor BMW, statt der Geschenketüte eine Auskoppelung aus Jonas Kaufmanns neuer CD beizulegen, eine Film-DVD wählen sollen. Kittelmanns Crossover-Inszenierung zwischen Hans-Peter Feldmanns „Schattenspiel“ und Jochen Alexander Freydanks oscarprämierten Kurzfilm „Spielzeugland“ im Obergeschoss zeigt aufs Schönste, wie ergiebig so eine Zusammenstellung sein kann.

Und doch: Zweifel. Filmkunst? Kunstfilm? Ist da wirklich die Deutsche Filmakademie, die doch auf klassischen Spielfilm setzt, die richtige Adresse? Die Berlinale hat mit ihrer Forum-Expanded-Reihe längst den Weg in Richtung Kunst gewiesen, allein: Publikumsträchtig, glamourverdächtig, wie der mit 50 000 Euro dotierte Kunstpreis nun eben auch sein will, ist das nicht, eher schwere Kost. Aber, schwerwiegender noch: Was wird, bei der neuen Nähe zum Film, aus den anderen Disziplinen? Wo bleiben Malerei, Skulptur, Installation? Haben nun Videoarbeiten automatisch das Prä bei der Preisverleihung? Und ist die diesjährige Auswahl mit ihrer Videodominanz wirklich ein Spiegel des aktuellen Kunstgeschehens, oder nicht doch eher eine Wunschvorstellung?

Den Preisträger Omer Fast, der in seiner Arbeit „Nostalgia“ ein Interview mit einem asylsuchenden Afrikaner in London zum hintersinnigen Kommentar auf Verstehen und Missverständnis, Erinnerungslügen und unseren Umgang mit Fremden gemacht hat, bedrücken solche Fragen wenig. „Vielen Dank, einen schönen Abend noch und bis bald“, ruft er ins Publikum. Und Udo Kittelmann legt nach, wünscht, angesichts der „Intuitionskiste“ von Joseph Beuys, die als Preis- Trophäe vergeben wird, in einem bezeichnenden Versprecher noch „einen schönen Abend mit vielen Institutionen, ähm, Intuitionen“. Christina Tilmann

Christina Tilmann

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