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Klassenkampf im Salon. Eliza (Franziska Melzer) erhält Nachhilfe bei Professor Higgins (Bernd Geiling).

© HL Böhme

Premiere: Potsdamer Theater zeigt Musical-Klassiker

Es grünt so evergreen: Wie zuletzt zu Wendezeiten vor zwanzig Jahren steht im Potsdamer Hans Otto Theater wieder einmal „My Fair Lady“ auf dem Spielplan - die Inszenierung überzeugt sowohl musikalisch als auch schauspielerisch.

Premierenmarathon am Hans Otto Theater: Vergangenen Mittwoch beeindruckte Clemens Bechtels „Potsdam – Kundus“ das Publikum, ein Doku-Drama über den Krieg in Afghanistan, am 29. Januar wird Bruno Cathomas, den Hauptstädtern bekannt von Volks- wie Schaubühne, seine Sicht auf „Romeo und Julia“ vorstellen. Und dazwischen: „My Fair Lady“, Frederick Loewes Klassenkampf-Klassiker von 1956, vielleicht die beste Musikkomödie überhaupt. Vor fast einem Jahr schon hatte Intendant Tobias Wellemeyer versprochen, ein Musical herauszubringen, als Zuckerl für all jene, die von seinem radikalen, multistilistischen Neustart seit Herbst 2009 dann doch etwas erschreckt worden waren.

Dass die Wahl ausgerechnet auf einen Evergreen wie „My Fair Lady“ fiel, überraschte – und weckte gleichzeitig Erinnerungen an Wendezeiten: Auch vor 20 Jahren stand das Stück auf dem Spielplan, und Eliza sorgte für den größten Lacher des Abends, als sie zur Bekräftigung ihrer Absicht, bei Professor Higgins Spracherziehungsunterricht zu nehmen, herausposaunte: „Ick zahle in Westmark“.

Das war noch im alten Hans Otto Theater, dem Dauerprovisorium beim Park Sanssouci, dessen schmaler, lang gezogener Saal alle Nachteile eines Vorstadtkinos bot, während die Bühne so eng war, dass die feine Ascot-Gesellschaft nur als Ansammlung von behüteten Choristen-Köpfen erscheinen konnte, die sich durch Klappen in einer Bretterwand schoben – was immerhin Kosten in der Kostümabteilung sparte.

2011 gehört das neue Theatergebäude mit seinen roten Dachzacken zu den Potsdamer Wahrzeichen. Und das Zuschauerhalbrund ist – trotz 480 Plätzen – intim genug, um „My Fair Lady“ mit kleiner Instrumentalistenbesetzung spielen zu können. Wirkte das Orchesterchen bei der letzten Berliner „Lady“ im Admiralspalast doch arg verloren, trägt der knackige Sound der siebenköpfigen Combo um Ludger Nowak den Potsdamer Abend mühelos. Überhaupt wirkt das so vertraute Stück hier ungemein frisch. Was an Nico Rabenalds liebevoller, im besten Sinne boulevardesker Inszenierung liegt. Aber auch daran, dass alle Hauptrollen mit Schauspielern besetzt sind. Da sind die Dialoge kein notwendiges Übel zwischen den Songs, sondern echte Highlights.

Musikalisch hat Nowak die Sprechtheaterprofis bestens vorbereitet, den Ensembleszenen verhilft ein Mini-Chor aus ausgebildeten Sängern zu Wohlklang. Bernd Geiling ist ein herrlich pedantischer Pepitahut-Professor, Peter Pagel versprüht prolligen Charme als Doolittle. Über allem aber strahlt Franziska Melzer, diese zarte, starke Eliza, die man auf ihrem Weg vom hässlichen Ick-lein zum stolzen Schwan am liebsten auf Händen tragen würde. Und die auch das überraschende unhappy end beglaubigt, das Rabenald raffiniert einschummelt: Alle Dialoge werden gesprochen, bis zu Higgins’ legendärem „Wo zum Teufel sind meine Pantoffeln!“, ganz so, wie es das Texttreue-Gebot des Verlags vorschreibt – dann aber greift sich der Professor seine Hausschuhe selber und verschwindet durch die Hintertür, während Eliza stumm rechts abgeht: Die letzte Szene bleibt ein Hirngespinst der Protagonisten, die nicht zueinander kommen sollen.

Diese überraschende Wendung gibt dem ganzen fidelen Treiben den entscheidenden Realitäts-Kick, klinkt die zeitlos gültige Story im Heute ein. Und befreit den Zuschauer vom schlechten Gewissen, sich zuvor köstlich über die alten Witze amüsiert zu haben. Und sogar über die uralten, die Jon-Kaare Koppe als Oberst Pickering mit Juhnke-Anklängen absolut ungeniert serviert.

Wieder am 21.–23.1. und 6./7., 19., 25.2.

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