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Kultur: Preußeninstitut: Ohne Glanz und Gloria

Der Streit um das Forschungsinstitut für die Geschichte Preußens e.V.

Der Streit um das Forschungsinstitut für die Geschichte Preußens e.V. (FGP) hat sich im vergangenen Jahrzehnt zur Berlin-Brandenburgischen Farce entwickelt. Schon seit Jahren hat das "Preußeninstitut" mit falschen Zusagen und immer neuen Kürzungen zu kämpfen. In einer wohl beispiellosen Affäre wurde es zum Spielball der höchst wechselhaften Länderpolitik.

Nun ist ein neuer trauriger Höhepunkt erreicht: Nach langem Hin und Her mit dem Land Brandenburg zog ausgerechnet Kultursenator Stölzl die Berliner Finanzierungszusage zurück, während Brandenburg inzwischen Geld geben will. Wieder einmal sieht es aus, als würde das Preußeninstitut in den fiskalischen Streitigkeiten zerrieben.

Verworrene Gründungsgeschichte

Dieses Verfahren hat gewissermaßen Tradition. Die verworrene Gründungsgeschichte des einst groß angelegten Forschungsinstituts reicht bis ins alte West-Berlin zurück. Ursprünglich war das Institut als Nachfolgeeinrichtung der finanziell reichlich ausgestatteten Historischen Kommission (HiKo) vorgesehen. Denn die Arbeit der Historischen Kommission war Ende der 80er Jahre vom Wissenschaftsrat als "nur teilweise gut" evaluiert worden. Daher wurde eine Nachfolgeeinrichtung und zugleich Neugründung für die Preußenforschung geplant: Ihr sollten einmal drei Millionen Mark jährlich zur Verfügung stehen. Doch die lösten sich ebenso in heiße Luft auf, wie eine geplante Preußen-Professur an der Viadrina in Frankfurt/Oder oder die zwischenzeitlich zugesagten Gelder vom Stifterverband der Deutschen Wissenschaft.

Zuletzt blieb es bei einem Forschungsverbund in Gestalt eines gemeinnützigen Vereins mit einem Jahresetat von lediglich 180 000 Mark aus der Berliner Wissenschaftsverwaltung und einer einmaligen Brandenburger Anschubfinanzierung in Höhe von 100 000 Mark.

"Wir müssen seit Jahren mit der Flickschusterei hinkommen", klagt der Vereinsvorsitzende Ernst Hinrichs. Der Oldenburger Historiker leitet das Forschungsinstitut seit 1997 und verfügt nur über einen Projektkoordinator und eine halbe Verwaltungsstelle. Mit den ursprünglichen Institutsplänen hat die magere Ausstattung nichts mehr zu tun. Auch der Sitz des Preußeninstituts nimmt sich verglichen mit der zeitweilig vorgesehenen altehrwürdigen Muthesius-Villa in Nikolassee bescheiden aus: Es blieb nur eine Büroetage am Hausvogteiplatz.

Hatte das Institut bislang wenigstens die Unterstützung Berlins sicher, so stiehlt sich das Land nun just in dem Moment aus der Verantwortung, als Rettung in Sicht ist. Das Kuratorium der Volkswagen-Stiftung hatte rund 1,5 Millionen Mark bewilligt, um die nächten drei Jahre zu finanzieren, vorausgesetzt, Berlin und Brandenburg würden sich in die Unterhaltung des Instituts danach mit jeweils 750 000 Mark teilen. Eigentlich ein schöner Erfolg, denn die VW-Stiftung finanziert nur in Ausnahmefällen ganze Institute. Jetzt droht aber auch noch der Verlust dieser Gelder, weil Senator Stölzl die von der VW-Stiftung verlangte Fortführung verweigert. Angesichts der Haushaltssituation sieht der Senator keine Möglichkeit, an die "Bemühungszusagen" seines eigenen Hauses anzuknüpfen, heißt es lakonisch in seiner Absage. Erst 2002 will Stölzl über eine Anbindung des Instituts an eine Berliner Hochschule nachdenken. Dies war allerdings nie gewünscht, da das Institut in erster Linie forschen und nicht lehren will.

Dabei steht es um die historische Landeskunde alles andere als gut. Die entsprechenden Professuren an der Humboldt- und der Freien Universität sind gestrichen, Archivbestände liegen teilweise brach und es mangelt an internationaler Vernetzung. Gerade hier will das Institut seinen Beitrag leisten, denn Hinrichs hält die Preußenforschung nicht nur für einen wichtigen Bestandteil der historischen Landeskunde, sondern will den europäischen Vergleich fördern.

Mit dem am 25. Februar 1947 vom Alliierten Kontrollrat per Gesetz aufgelösten Staatengebilde ist eine höchst ambivalente Erinnerungskultur verbunden. Wie kaum eine andere Epoche deutscher Geschichte ist die Bedeutung Preußens noch immer umstritten. "Manche bekommen bei dem Gedanken an Toleranz und Aufklärung leuchtende Augen", sagt Hinrichs, "andere denken an aggressiven Militarismus und nationalsozialistische Vereinnahmung." Mit dem "Tag von Potsdam" am 21. März 1933 und späteren Ufa-Filmen hatten die Nationalsozialisten symbolträchtig versucht, "preußische" Gründungsmythen zu konstruieren.

Der Oldenburger Historiker will deswegen die Janusköpfigkeit der im 18. Jahrhundert wurzelnden preußischen Geschichte erforschen. Dazu gehört die "borussische Historiographie" eines Heinrich von Treitschke ebenso wie das parlamentarische Preußen, das als Hort demokratischer Stabilität in der zerrissenen Weimarer Republik gilt. In den 20er Jahren versuchten vor allem Vertreter der alten Rechten und der "Konservativen Revolution", die Historie Preußens traditionsstiftend zu besetzen.

Keine borussische Nabelschau

Dieses wahrhaft weite Feld 250-jähriger Geschichte zu bestellen, soll die eigentliche Aufgabe des FGP sein. Dabei will Hinrichs keine "borussische Nabelschau" oder reine Dynastiegeschichte betreiben, sondern das Thema gemeinsam mit französischen und osteuropäischen Historikern angehen. Ein Projekt ist der Vergleich religiöser Sonderbewegungen im 18. Jahrhundert, wie der Jansenismus in Frankreich und der Pietismus in Preußen. Daneben werden die auf diverse Landesarchive verstreuten Quellen zum preußischen Kantonsystem digitalisiert, ein historischer Preußenatlas und eine Bibliographie sollen ins Internet gestellt werden. Derzeit tagen internationale Forscher aus Anlass des bevorstehenden 300. Jubiläum der Selbstkrönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. Das geschah am 18. Januar 1701.

Dass der Berliner Wissenschaftssenator nach der Finanzierungszusage nun auch noch sein vorab zugesagtes Grußwort zur internationalen Tagung kurzerhand zurückzog, ist kein gutes Zeichen. Stattdessen lädt der Brandenburgische Ministerpräsident Stolpe, der zu dem gebeutelten Projekt steht, zu einem persönlichen Empfang. "Symbolische Politik" würden Historiker das wohl nennen - und Berlin macht dabei keine gute Figur. Denn aufmerksamen Beobachtern des Streits kann die politische Frontlinie im Hick-Hack kaum entgehen: Einmal mehr scheint es, als wolle man der kritisch distanzierten Auseinandersetzung mit dem schwierigen historischen Erbe ausweichen. Hinrichs hat sich nun an den Regierenden Bürgermeister gewandt: "Eine verantwortungsbewusste Wissenschaftspolitik kann es sich nicht erlauben, einen national wie regional so bedeutenden Teil deutscher Geschichte nicht zu beforschen und so der Mythenbildung und den Traditionsvereinen zu überlassen", schreibt er.Die Geschichte Preußens ist an Irrungen und Wirrungen überreich. Wenn sich die Haltung Berlins nicht bald ändert, dann könnte just dieses Szenario eintreten.

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