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Kultur: Preußenspiegel

Ein neues Projekt an der Wissenschafts-Akademie

Für ein verschwundenes Land ist Preußen ziemlich lebendig. Zumal in Berlin und Brandenburg, wo seine Spuren am deutlichsten sind. Vor drei Jahren riefen die beiden Länder sogar ein Preußen-Jahr aus. Nur: Seitdem die historische Kommission abgewickelt wurde und das als Nachfolger gedachte Preußen-Institut auf dem Feld der Finanzknappheit ein unrühmliches Ende gefunden hat, klafft wissenschaftlich hier ein Loch. Die Preußen-Wogen kommen und gehen, aber die wissenschaftliche Beschäftigung bleibt ausgerechnet in seinem Stammland ein Stiefkind. Keine der Universitäten, die sich sonst doch mit neuen Themen nicht genug tun können, widmet ihm einen Schwerpunkt. Preußen läuft im Studien- und Forschungsbetrieb mit, bestenfalls. Das ist, unverblümt gesagt, ein Ärgernis. Ist ein Ende abzusehen?

Immerhin hat die Akademie der Wissenschaften in dieser Woche ein neues, auf die Dauer eines Jahrzehnts angelegtes Forschungsprojekt Preußen vorgestellt. Überdies wird mit ihm ein neues, gewichtiges Thema präludiert: Preußen als Kulturstaat. Schließlich akkompagnierte Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Unternehmen, das am Dienstag in der Akademie präsentiert wurde, mit der Deutung der Museumsinsel als Monument des preußischen Kulturwillens. Nicht zuletzt stellte Jürgen Kocka, Historiker und Präsident des Wissenschaftszentrums, am Ende die entscheidende Frage: Haben wir uns geändert – die Historiker, die Öffentlichkeit, die Gesellschaft?

Tatsächlich muss ja auffallen, dass von Preußen mittlerweile zunehmend ohne borussisches Bramarbasieren und konventikelhafte Enge die Rede ist.Während vor einem Vierteljahrhundert die Zunft- Instanz Hans-Ulrich Wehler noch heftig davor warnte, unter dem Rubrum Preußen den „Obrigkeitsstaat im Goldrähmchen“ zu propagieren. Nun saß Wehler auf dem Podium und rühmte die Leistungen des protestantischen Bildungsbürgertums, der Gymnasiallehrer, Ministerialbeamten und Universitätsprofessoren für den Fortschritt von Kultur und Wissenschaft in Preußen. Wolfgang Neugebauer, Historiker in Würzburg, der Leiter des Akademie-Vorhabens, wollte nicht einmal die Militärs dieses Militärstaats davon ausschließen und sprach von einem „militärisch- bürgerlichen Elitenkonsensus“.

Woher die Blickwende? Wegen des aktuellen Gefühls, dass der Staat versage, wie Herfried Münkler, Politologe an der Humboldt-Universität, annimmt? Oder wegen der Zweifel der Deutschen an sich selbst, wie Adolf Muschg, der Präsident der Akademie der Künste, argwöhnt? Vielleicht geben ja auch die beabsichtigten Forschungen darauf eine Antwort – indem sie uns klüger darüber machen, was Preußen uns, den Nachgeborenen, sein könnte.

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