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Kultur: Preziosen des Spiegel Quartetts

Diese Gesichter hätten Sie sehen müssen! Als das Spiegel Quartett den Kammermusiksaal des Konzerthauses betrat, ließ eine Mischung aus Erschrecken und ungläubigem Amüsement die Züge der Musiker für einen Moment entgleisen.

Diese Gesichter hätten Sie sehen müssen! Als das Spiegel Quartett den Kammermusiksaal des Konzerthauses betrat, ließ eine Mischung aus Erschrecken und ungläubigem Amüsement die Züge der Musiker für einen Moment entgleisen. Warum? Um ehrlich zu sein: Wegen Ihnen! Wegen Ihres Fehlens, die Sie nicht nur gerne Streichquartett-Rezensionen lesen, sondern auch Streichquartette hören, blickte die aufstrebende Formation aus vier entdeckungsfreudigen königlich-belgischen Konservatoriumsprofessoren in einen Saal von 21 Zuhörern. Schwamm drüber, kann passieren - aber was haben Sie verpasst? Nun, zum ersten und wichtigsten das "Molto adagio sempre cantando e doloroso" des blutjung gestorbenen Belgiers Guillaume Lekeu (1870 - 894): Ein abgrundtief trauriges Stück, das aus der Spätromantik heraustretend, einen fahlen Impressionismus wagt, eigen in seinen Brüchen, seinen plötzlich schmerzlich aufbrechenden Soli, vorgetragen mit großer Ruhe und sprechender Intensität. Zum Zweiten entging Ihnen das dritte Streichquartett von Darius Milhaud, geschrieben auf den frühen Tod seines Dichterfreunds Léon Lantil.

Auch hier zeigten die Musiker ihre Stärke im Nunancieren fahler Klangschattierungen und in der Intensität, mit der sie einen wiederholten simplen Halbtonschritt zur ergreifenden Trauergeste erhoben. Mit ihrer wortlosen Artikulation übertrafen sie sogar die Sopranistin: Der Todeswunsch aus Lantils Tagebuch, den die im letzten Satz hinzutretende Véronique Solhosse ins Leere ruft, wirkte im Vergleich zu den Instrumentalisten etwas vordergründig wohlklingend. Abgerundet wurde das Programm belgischer Preziosen mit dem Streichquartett in D-Dur von Lekeus Lehrer César Franck. Hier allerdings spielte sich der leidenschaftliche Primarius Guido de Neve in den Vordergrund: Bei aller Genauigkeit des Zusammenspiels schuf er mit seinem tränentreibenden Vibrato einen allzu deutlichen Kontrast zu dem geraden, feinen, ernsten Ton des Cellisten. Doch allemal genug, um uns eine Zugabe zu ertrampeln.

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