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Kultur: Primus oder Paria?

Eine Diskussion zum Thema Flick und Schuld

Die Positionen sind schnell klar. Die Konzentration auf wenige große Namen wie Flick oder Krupp sei Teil eines Verdrängungsprozesses, was die Verstrickungen der NS-Zeit angehe, sagt der Publizist und Historiker Götz Aly. Nutznießer von Arisierungen und Zwangsarbeit seien große Teile der deutschen Bevölkerung, vor allem aber das Deutsche Reich selbst gewesen. Andererseits: Friedrich Flick, der in drei politischen Systemen erfolgreich agierte, sei der „Klassenprimus“ der deutschen Industrie gewesen. Deshalb könne man gerade an seinem Beispiel klären, unter welchen Bedingungen wirtschaftlicher Erfolg in der NS-Zeit möglich war – so der Historiker Kim Priemel, der in Freiburg über die Flick KG promoviert.

Der Eindruck, mit der Diskussion um die Ausstellung der Kunstsammlung des Flick-Enkels Friedrich Christian Flick Opfer einer Stellvertreterdebatte geworden zu sein, hat die Staatlichen Museen zu Berlin zu einem umfangreichen Begleitprogramm veranlasst, sagt Stiftungspräsident Klaus-Dieter Lehmann. Nach Debatten über das Verhältnis zwischen Museen und privaten Sammlern gilt das Augenmerk nun dem Umgang mit der NS-Vergangenheit. Zwei Diskussionsrunden, deren erste im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek stattfand, fragen nach „weißen oder blinden Flecken“ in der Auseinandersetzung um die NS-Zeit.

Nach den Kritikern haben nun also die Historiker das Wort. Nicht ohne Grund: Insgesamt vier Forschungsunternehmen widmen sich derzeit der Flick KG, zwei davon (in München und Bochum) im Auftrag der Familienmitglieder Friedrich Christian Flick und seiner Schwester Dagmar Ottmann. Horst Möller vom Münchner Institut für Zeitgeschichte musste sich denn auch gegen den Vorwurf verwahren, mit der Annahme des Forschungsauftrags in einen Familienkonflikt geraten zu sein. Andererseits: Wie nötig Grundlagenforschung gerade im Fall Flick ist, zeigt die unzulängliche Quellenlage. In mehr als 100 Einzelarchive ist das Material der ehemaligen Flick KG zersplittert. Keiner der Auftraggeber kann einen Zugang zu diesen Archiven gewähren und verfügt über ein umfassendes Familienarchiv. Es steht also, so Horst Möller, einige Kärrnerarbeit an, bevor man über neue Erkenntnis in Sachen Flick reden kann – vielleicht am Ende der siebenjährigen Ausstellungszeit.

Christina Tilmann

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