zum Hauptinhalt

Kultur: Privat ist privat

Wie war noch der Satz? Lang jedenfalls, und deshalb ist es gut, daß er festgemauert in der Erden steht, auf einer Sandsteintafel von fast alttestamentarischem Ausmaß am Treppenaufgang des Baden-Badener Festspielhauses: "Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.

Wie war noch der Satz? Lang jedenfalls, und deshalb ist es gut, daß er festgemauert in der Erden steht, auf einer Sandsteintafel von fast alttestamentarischem Ausmaß am Treppenaufgang des Baden-Badener Festspielhauses: "Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen." Jenes Sinnsprüchlein des Schweizer Dichter Theologen Kurt Marti, das zur Eröffnung vor dreieinhalb Monaten den Machern und Managern Wolfgang Gönnenwein, Rainer Vögele und Lothar Späth so gut gefiel, befindet sich sinnigerweise genau gegenüber einem Baden-Badener Bankomaten plaziert.Den freilich, gut gefüllt, bräuchten sie jetzt dringender als Erbauungsprosa im Schwarzwald, auch wenn der zuständige Konkursrichter am Amtsgericht der Stadt in Sachen Baden-Baden vorerst arbeitslos geblieben ist.Gleichwohl: Die Trägergesellschaft des Baden-Badener Festspielhauses ist zahlungsunfähig.Derweil schieben sich der Hauptbetreiber, ein Tochterunternehmen des Stuttgarter Autoprüfers "Dekra" und die Stadt Baden-Baden jetzt vor Ort munter den Schwarzen Peter zu.Der Hauptgesellschafter der Festspiele nimmt für sich in Anspruch, auf die schon anfangs nicht zu übersehenden Schwierigkeiten der Festspiele sofort reagiert zu haben.Die Oberbürgermeisterin Sigrun Lang hingegen denkt nicht daran, die im Augenblick ausstehenden drei Millionen Mark von der Gemeinde aus zuzuschießen.Theoretisch könnte sie das, weil noch insgesamt zehn Millionen Mark an nicht verbrauchten Baumittel vorhanden sind.Wenn Baden-Baden schon kein funktonierendes Festspielhaus hat, ein Tollhaus ist es mittlerweile auf jeden Fall.

Noch zur Eröffnung des Hauses Lothar Späth eine hohe Fanfare auf die Privatwirtschaft und das Ärmelaufkrempeln an sich.Und schon damals klang das wie die Lärmtrompete des Nichts.Baden-Baden hat Fehler auf Fehler produziert.Weder Werbung, noch Kartenverkauf waren auch nur einigermaßen professionell organisiert.Das Programm lief völlig an dem Publikum vorbei, das sich Baden-Baden erst mühsam im Schatten von Salzburg hätte erobern müssen.Als Andreas Mölich-Zebhauser, ehemals hocherfolgreicher Chef des Frankfurter Ensemble Modern, vor einem Monat Einsicht bekam in die Zusammenhänge, war er dennoch bereit, ein vollkommen neues Konzept vorzulegen, und er arbeitete bereits daran.

Die Dekra ließ nach dem ersten Zusammenbruch keinen Zweifel daran, daß sie Mölich-Zebhauser völlig freie Hand geben wollte.In Wahrheit aber zog sie wohl fester am Strick als je zuvor.Baden-Baden, so muß es sich für die Führungsspitze dargestellt haben, würde auf lange Jahre hinaus wirtschaftlich kaum rentabel zu machen sein.

Entsprechend kritisiert jetzt der Vorsitzende der Freundschaftskreise, Lothar Späth, daß der Dekra-Chef Zeidler nicht bereit sei, das unternehmerische Risiko abzudecken.Zeidler seinerseits schiebt alle Schuld auf die Stadt Baden-Baden und redet von "Unverantwortlichkeit".

Ob "das Ding tot ist", wie in der Landeshauptstadt Stuttgart allenthalben gemutmaßt wird, ist trotzdem noch nicht ganz sicher.Finanziell will sich Baden-Württemberg über die jährlich vereinbarten fünf Millionen Mark Zuschuß hinaus jedenfalls nicht engagieren.Auf einmal rücken auch die von der Idee Baden-Baden ab, die frohgemut und mit roten Kindergesichtern bei der Eröffnung in der ersten Reihe saßen und sich gegenseitig auf die Schultern geklopft hatten.Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder prüft im Augenblick wohl, ob das Land in der Zukunft an seine eingegangene Verpflichtung gegenüber Baden-Baden überhaupt noch gebunden ist.Da herauszukommen, wird nicht ganz leicht sein.Die beteiligten Privatunternehmer haben schließlich ein Vertragswerk organisiert, das niemals richtig einzusehen war.Privat sei eben privat, so lautete immer die Antwort auf diesbezügliche Fragen.Jetzt, wo die nicht ganz so private, faule Festspielgeschichte auf einmal unliebsam in der Öffentlichkeit verhandelt wird, ist spätestens die Zeit gekommen, Einsicht zu gewähren.Baden-Baden marschierte frohgemut und ohne jedes Gewissen seitens der Betreiber in Richtung Luxus, jetzt ist es arm dran.So gesehen, ist es weit gekommen mit Baden-Baden.Und auch wieder nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false