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Kultur: Privatsammlungen: Überm Sofa ist kein Platz

Die Nöte des Hamburger Sammlerehepaars Carl und Carin Vogel haben es einmal mehr deutlich gemacht: Trotz leerer Museumskassen ist es heute nicht immer einfach, eine herausragende Privatsammlung adäquat zu präsentieren. Einen Teil ihrer 25 000 Blätter umfassenden Grafikkollektion - immerhin 1800 Arbeiten von Horst Janssen - verkauften sie weit unter Wert an die Claus-Hüppe-Stiftung, damit sie im unlängst eröffneten Oldenburger Janssen-Museum gezeigt werden können.

Die Nöte des Hamburger Sammlerehepaars Carl und Carin Vogel haben es einmal mehr deutlich gemacht: Trotz leerer Museumskassen ist es heute nicht immer einfach, eine herausragende Privatsammlung adäquat zu präsentieren. Einen Teil ihrer 25 000 Blätter umfassenden Grafikkollektion - immerhin 1800 Arbeiten von Horst Janssen - verkauften sie weit unter Wert an die Claus-Hüppe-Stiftung, damit sie im unlängst eröffneten Oldenburger Janssen-Museum gezeigt werden können. Eine Lösung in ihrer Heimatstadt hätte das Ehepaar allerdings vorgezogen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die hanseatischen Privatsammlungen weit weniger umfangreich - auseinandergerissen und verstreut wurden sie dennoch. Eine alte Fotografie zeigt Franz Marcs "Gebirge" (1911/12) als Teil eines Arrangements über der Anrichte im Hause des Architekten und Kunstsammlers Gerson. "Ehem. Hans Gerson, Hamburg (erworben vor 1920), 1939 von der Familie in die Emigration mitgenommen, heute in San Francisco Museum of Modern Art", verrät das Schild neben dem Original. Derart lapidar und doch eindringlich wird derzeit in der Hamburger Kunsthalle der Weg eines Bildes und das Schicksal seiner Besitzer dokumentiert.

Die "Meisterwerke aus frühen Privatsammlungen" zu bestimmen und aufzufinden, war schwierig, da die meisten Hamburger Kollektionen während der Weltwirtschaftskrise oder in der NS-Zeit aufgelöst wurden. Zur Spurensuche gehörte es, Kontakt mit den Nachkommen zu knüpfen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 180 Bilder und Skulpturen machte Kurator Ulrich Luckhardt ausfindig. Chronologisch gegliedert, entsteht ein Panorama jener zeitgenössischen Kunst, mit der begüterte Hamburger Bürger zwischen 1890 und 1933 ihre Salons schmückten. So hängte sich der Kaufmann Sigmund Gildemeister "Das Meer bei Fécamp" (1881) von Monet über die Chaiselongue. Picassos "Vase mit Blumen" (1908) und Paula Modersohn-Beckers "Stilleben mit Kürbisscheibe" (1906) zierten das Esszimmer des Konsuls Max Leon Flemming. "Picasso, Beckmann, Nolde" verspricht die Ausstellung im Haupttitel. Ihre Namen mögen manchen Liebhaber der klassischen Moderne zwar in die Kunsthalle locken, allerdings führen sie in die Irre, beginnt doch die Schau bereits mit Werken des französischen Impressionismus, während von Picasso gerade mal drei Bilder zu sehen sind. Besonders beliebt waren die "Brücke"-Maler. Die bestimmten so nachhaltig den Sammlergeschmack, dass Kubismus, Neue Sachlichkeit und abstrakte Tendenzen am Bauhaus - Klee, Kandinsky oder Feininger - in Hamburg kaum eine Chance hatten.

Eine spektakuläre Ausstellung ist dies sicher nicht, trifft man unter den Gemälden doch viele alte Bekannte wieder. Insgesamt liefern Schau und handbuchartiger Katalog einen anschaulichen Beitrag zur Kulturgeschichte des Sammelns. Heute bestimmen private Sammler immer häufiger, was in den Museen gezeigt wird. So hätte die 1997 eröffnete Galerie der Gegenwart, die der Hamburger Galerie angegliedert ist, ohne private Dauerleihgeber kaum ihr Programm, die Zweite Moderne, präsentieren können.

Die Zeiten, in denen sich Kunst problemlos über die Chaiselongue hängen ließ, sind vorbei. Bei der derzeit in den Hamburger Deichtorhallen gezeigten "Grässlin Collection" war der Platz über dem Sofa allenfalls in den 60er-Jahren Kriterium. Damals begründeten der aus St. Georgen stammende Unternehmer und seine Frau ihre Kollektion mit Bildern des Informel. Nach dem frühen Tod des Vaters führen die vier Kinder und ihre Mutter die Sammlung mit Kunst der 80er- und 90er-Jahre fort. Die 160 Arbeiten von 30 Künstlern, die jetzt unter dem Titel "Vom Eindruck zum Ausdruck" 4000 Quadratmeter am Freihafen beanspruchen, sprengen die Möglichkeiten jeder Bürgervilla.

Der Hamburger Jurist und Unternehmer Harald Falckenberg, der erst seit 1993 sammelt, teilt mit den Grässlins die Vorliebe für Kippenberger, Ocampo, Albert Oehlen, Georg Herold, Werner Büttner und Mark Dion. Jetzt hat auch Falckenberg ein Platzproblem. Das will er mittels vier Werkhallen der ehemaligen Gummiwarenfabrik Phoenix in Hamburg-Harburg lösen. Einstweilen zeigt die Kestner Gesellschaft Hannover unter dem Motto "Ziviler Ungehorsam" Falckenbergs Schätze.

Ira Lorf

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