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Kultur: Prolog mit Rassel

Der Welt ist die Unschuld abhanden gekommen, "ohne daß wir dabei waren" - sagt Phöbos Apollon in Lothar Trolles Szenenfolge "Hermes in der Stadt".Zu verantworten hat diesen Verlust Hermes, Gott der Diebe und der Kaufleute, denn der begann schon als Säugling zu stehlen und zu schlachten, ohne etwas davon zu wissen.

Der Welt ist die Unschuld abhanden gekommen, "ohne daß wir dabei waren" - sagt Phöbos Apollon in Lothar Trolles Szenenfolge "Hermes in der Stadt".Zu verantworten hat diesen Verlust Hermes, Gott der Diebe und der Kaufleute, denn der begann schon als Säugling zu stehlen und zu schlachten, ohne etwas davon zu wissen.Nun kommt Hermes zu uns Heutigen, läßt über seine Kindheit berichten, fährt Auto von Verbrechen zu Verbrechen, schafft "schlechtes Blut" in einer Gruppe Jugendlicher und lebt in den Dämonen, "die mit uns die Städte bewohnen".Vier szenische Komplexe sind in "Hermes in der Stadt" aneinandergefügt, Monologe, Erzählungen, Berichte, die vom Unbewußten und vom rauschhaft Ästhetischen schuldhafter menschlicher Verstrickungen künden.Das nüchterne, genaue, knappe Protokoll über eine Serie immer brutaler werdender Diebstähle wird hochgerissen in das durch zwanghaftes Töten befeuerte Nachdenken über klassische deutsche Poetik.Und der abenteuerlichen Episode aus der Kindheit des Gottes Hermes folgt das böse Märchen vom Jungen, der dazu verführt wird, sich den Eltern selbst zum Opfer zu bringen.

Die epischen Berichte - sie folgen authentischen Kriminalfällen aus der Endzeit der DDR - verhalten sich gegenüber der Bühne, dem Spiel, dem Finden bildhafter Beziehungen zwischen Darstellern außerordentlich spröde.Trolles lyrisch strukturierte Sprache, ganz dicht und von einem nicht leicht zu entdeckenden Humor durchdrungen, verlangt Leichtigkeit, freilich eine der sinnenden, formbewußten Art.Frank Castorf mißlang 1992 die Uraufführung am Deutschen Theater Berlin, und auch Claudia Bauer hat im bat-Studiotheater den Schlüssel für die Monologe nicht gefunden.Sie bringt die blockhaft nebeneinander gestellten Szenen von den Diebstählen und den Morden verwirrend durcheinander, zwingt sie in pantomimisch-choreographische Aktionen hinein, deutet sie deftig aus, durch Wiederholungen, Zusätze, Unterbrechungen.Acht Spieler, unter ihnen fünf Studierende der Fachrichtung Puppenspiel im letzten Studienjahr, sind um ausdrucksstarke Bewegungsabläufe heftig bemüht.Sie erfassen aber nicht den Hintersinn der Texte, sondern zerstören deren strenge und doch eben auch anmutige Struktur, spielen an den Zusammenhängen vorbei.

Das Ruckhafte der Bewegungsabläufe hat mit dem Versuch zu tun, Trolles Texte für das Puppenspiel zu gewinnen.Nackten rosa Säuglings-Puppen, Kennzeichen für die (verlorene) Unschuld, ist ein von Babylauten bestimmter Prolog vorbehalten - drei der süßen Kleinen stürzen ab, der vierte, phlegmatische, bleibt sitzen.In der Hermes-Kindheitsepisode sind die Puppen wieder da, nun als Hauptdarsteller in einem barocken Bilderrahmen, mit Erwachsenengesichtern und aufmontierten Plastebrüsten (bei Mutter Maia).Sonst aber, noch einigermaßen akzeptabel in der Telefonszene des "Kindervergiftens", geht es auf der fast leeren, von einem Kühlschrank beherrschten schwarzen Bühne um puppenhaftes Agieren von Menschen, mit manch unnötiger pennälerhafter Effekthascherei.Dem Publikum war Ratlosigkeit anzumerken, zu mehr als dürftigem Beifall konnte es sich zu Recht nicht entschließen.

Aufführungen am 18., 27.bis 29.April

und vom 4.bis 6.Mai, jeweils 20 Uhr

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