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Kultur: Protest ist Ware Schaubühne: Marat Sade

mit Schauspielstudenten.

So geht das im Kapitalismus. Im Mai, als Studenten der Schauspielschule „Ernst Busch“ für einen erst zugesagten, dann wieder gestrichenen Neubau protestierten, schaffte es David Schellenberg als Zwischenrufer in einer Talksendung bis auf die erste Seite der „Bild-Zeitung“. Studenten wurden sogar zu Gottschalk eingeladen. Die Medienpiraterie hat sich gelohnt, die Schule bekommt ihren Bau. Jetzt steht Schellenberg in der Schaubühne und zieht – stolz und bitter – am Anfang der Inszenierung von Marat/Sade von Peter Weiss das Resümee der Heldentat. Der Kapitalismus habe ihn als Marke wieder ausgespuckt, die ihren Protest nun als Ware an das Publikum weiterverkaufe.

Der Protest im Leben hat funktioniert, aber wie leistet man auf der Bühne wirksam Widerstand? Problem. Nach den beiden „Volksfeind“-Inszenierungen stellt nun das Schauspielschüler-Ensemble in Weiss’ Klassiker (Regie: Peter Kleinert) diese Frage. Christophe Vetter berichtet angewidert, dass ein Risikoinvestor den Konferenzsaal mit Rindsleder hat auskleiden lassen. Krise ist Geld, findet Max Thommes und fackelt, um selbige zu beenden, gleich einen Zwanziger ab. Unterkomplexer Empörungsscheiß, empört sich darauf ein zum Ausgang stürzender Zuschauer. Natürlich gehört der genauso zur Inszenierung wie die Aktualisierung zum Stück von Weiss. Darin geht es eben nicht nur um den Schlagabtausch zweier Haltungen (Marat: Revolution der Gesellschaft – de Sade: hemmungslose Selbstverwirklichung), sondern auch um die Verfertigung einer Inszenierung beim Probieren. De Sade inszeniert Marats Ermordung in der Wanne (mit beeindruckender, mal gelassener, mal fiebriger Jesushaftigkeit: Bernardo Arias Porras) bekanntlich mit Irren in einem Hospiz.

Nachdem man also achselzuckend ein paar Empörungsgesten durchgespielt hat, konzentriert man sich lieber auf den Spaß, den es zumindest den Schauspielern bereitet, die eigene Probenarbeit auf die Schippe zu nehmen. Sebastian Schwarz ist ein veritables, die Schauspielerinnen antatschendes Regiescheusal. Es gibt einen Aufstand des Assistenten und eine Minirevolte des Ensembles. Ansonsten tanzen, singen, stampfen und rollenwechseln die Schauspieler sehr mitreißend und amüsant, aber auch meilenweit von so etwas wie Dringlichkeit entfernt. Revolutionstheater ist offenbar das neue L’art pour l’art. Andreas Schäfer

wieder Montag sowie 19., 20. und 21.10.

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