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Kultur: Pulp corners

Über das Verhältnis Theater-Kino-Wirklichkeit ließe sich ausgiebig spekulieren.Seit sich die althergebrachte Darreichungsform auf der Bühne ihrer Anachronismen bewußt ist, imitiert sie optisch wie akustisch den großen Leinwandbruder, und allzugern werden technische Mätzchen zur Verschleierung inhaltlicher Mängel eingesetzt.

Über das Verhältnis Theater-Kino-Wirklichkeit ließe sich ausgiebig spekulieren.Seit sich die althergebrachte Darreichungsform auf der Bühne ihrer Anachronismen bewußt ist, imitiert sie optisch wie akustisch den großen Leinwandbruder, und allzugern werden technische Mätzchen zur Verschleierung inhaltlicher Mängel eingesetzt.In "Popcorn", dem "Stück für die Großstadt", sind Soundtrack und eingebaute Filmprojektionen immerhin thematisch begründet.

Die Situation: Nachdem der HollywoodRegisseur Bruce Delamitri für seinen umstrittenen, mit exakt 57 Morden abgeschmeckten Thriller "Ordinary Americans" den Oscar in Empfang hat nehmen dürfen, erwartet ihn in der heimischen Villa das Serienkillerpärchen Wayne und Scout.Der einsetzende Wohnzimmerterror weitet sich reichlich redundant aus auf One-Night-Tussi und Produzentenkumpel, Ehefrau und Tochter.Mehr schlecht als recht hangelt sich das schwärzlich-boulevardeske Satirchen durch cineastische Zitate von "The Desperate Hours" bis "Natural Born Killers".Wacker ackern die Akteure, um glauben zu machen, Kreuzberg sei Beverly Hills.Vergeblich: ihr manieriertes Ami-Getue, das Fuchteln mit Waffen und Worten tötet vor allem das Interesse an der Frage, wer die Belagerung überleben mag.Peinliche Hybris schon in der Presse-Info, die des Senders RTL "Wie bitte?!"-Knallschote Eva Mannschott als "Star" verkauft.Ihre Rolle als Nacktmodell, das - Obacht, running gag! - Schauspielerin sein möchte, unterstreicht sehr schön die Einfalt dieses Stücks für die Provinz.

Daß solch aus sonstwelchen Ecken gefegtes Popcorn in modistisch gestaltetem Becher ausgerechnet von Ben Elton kommt, ist eine Extra-Enttäuschung, schrieb doch der britische Autor für Rowan Atkinsons umwerfendes "Blackadder"-Serial.Gescheiterte Inszenierung (Ulrich Simontowitz) hin, möglicherweise mißlungene Übersetzung (Heidi Zerning) her - wenn am Schluß der Begriff "Verantwortung" durchgekaut wird, entfaltet sich bärtiger Sozialpädagogenkitsch.Um sich als Opfer der sensationslüsternen Medien darzustellen, zwingt das unglaubwürdige Killerpärchen (Gabriel Merz und Michaela Hinnenthal) den bourgeoisen Splatterkünstler (verheizt: Nicolas Weidtmann) vor laufender Fernsehkamera zur guten alten Gewaltdebatte mit den immergleichen Fragen.Wer letztlich verantwortlich sei fürs böse oder gute Treiben anderer Leute, bleibt offen.Hinsichtlich des Verhältnisses Theater-Kino-Wirklichkeit müßte man sich sonst vielleicht eingestehen: Obwohl eines beim anderen abguckt, trägt jeder selbst die Verantwortung für sich und seine Flops.

Bis 13.12., jeweils mittwochs bis sonntags, 20.30 Uhr

NORBERT TEFELSKI

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