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Kultur: Quoten-Gerangel

Jahrhundertelang haben Frauen dafür gekämpft, in die Schule zu gehen, zu studieren, einen Beruf zu erlernen.Das ist halbwegs erreicht.

Jahrhundertelang haben Frauen dafür gekämpft, in die Schule zu gehen, zu studieren, einen Beruf zu erlernen.Das ist halbwegs erreicht.Heute wollen Frauen nicht nur Bankkauffrau werden, sondern Bankdirektorin, sie wollen nicht nur Regieassistentin sein, sondern selber Filme drehen.In der Politik, wo Gesellschaft entscheidend gestaltet wird, ist es genauso.Lange kämpften Frauen dafür, wählen zu dürfen.Heute wollen sie gewählt werden.Auch in höchste Staatsämter.

Bei keiner Regierungbildung der Bundesrepublik haben so viele Frauen an die Türen der Macht gepocht wie diesmal.Dies verdanken sie auch der Quote.Denn fachliche Qualifikation allein reicht bisher nicht.Daß das so wird, bleibt das langfristige Ziel.Wer will schon als "Quotenfrau" bezeichnet werden? Und doch müssen wir wohl mit dieser Krücke noch etwas leben.Auch der Quote verdanken wir, daß Frauen in klassischen Männerdomänen wie politischen Parteien überhaupt hochgekommen sind, Erfahrung sammeln konnten und sich heute für Ministerposten und sogar das höchste Amt im Staate ins Gespräch bringen.Fachliche Qualifikation ist dabei selbstverständliche Voraussetzung: Niemand wünscht sich eine unfähige Frau an der Stelle eines fitten Mannes.Die Besten sollen es sein.

Daß die Besten, wenn sie weiblich sind, sich in männlich dominierten Bereichen noch nicht von allein durchsetzen, haben die Grünen schon länger erkannt.Um dieses strukturelle Problem zu überwinden, haben sie sich eine Frauenquote auferlegt,und es ist kein Zufall, daß bei den Grünen mehr Frauen etwas zu sagen haben als in jeder anderen Partei - Grünen-Frauen sind ja nicht an sich qualifizierter als CDU-Frauen.

Bei dem leidigen Geschacher um Posten, Proporz und Quoten geht es nicht darum, Frauen auf Posten zu hieven, einfach damit dort Frauen zu sehen sind statt Männer.Frauen in der Politik sind kein Selbstzweck, sondern quasi ein Verfassungsauftrag: In einer repräsentativen Demokratie sollen möglichst alle Gruppen und Interessen der Gesellschaft vertreten sein.Sicher haben Frauen nicht per se eine gemeinsame Meinung.Aber historisch und gesellschaftlich bedingt sind sie etwa von Familienpolitik - dazu gehören beispielsweise staatliche Kinderbetreuung - besonders betroffen.Wenn selbst darüber noch immer hauptsächlich Männer entscheiden, stimmt etwas nicht.

Frauen haben sich, im eigenen Interesse, zunächst in der Sozial- und Familienpolitik engagiert, zumal ihnen diese Domäne von den Männern am ehesten überlassen wurde.Aber Frauen machen sich auch Gedanken über Krieg und Frieden, Außenpolitik im Kosovo und die russische Wirtschaftskrise.Manchmal andere, manchmal ähnliche Gedanken wie Männer.Jedenfalls haben sie sich auch in diesen "harten" Politikdomänen qualifiziert und können durchaus - Madeleine Albright ist ein Beispiel - auf höchster Ebene mitgestalten.Bei der jetzigen Regierungsbildung wird das Mitgestalten nur bedingt gelingen.Aber es ist nicht aufgehoben, nur aufgeschoben.Denn beim Aufstieg in die höchsten Gefilde, merken die Frauen jetzt, was ihnen noch fehlt, um ganz oben bestehen zu können: Sie müssen in den nächsten Jahren Hausmachten aufbauen und Seilschaften knüpfen.Die jüngst annoncierte stärkere Zusammenarbeit zwischen den Frauen in SPD- und Grünen-Fraktion geht in die richtige Richtung.Frauen müssen ihre Ellenbogen trainieren und vor allem Lust auf Macht entwickeln.Die Lust an Verantwortung ist längst da.

Und die Männer? Kein Mensch verlangt, daß sie das Konkurrenzdenken aufgeben.Wäre auch unrealistisch.Vielmehr sollen Frauen ja ein bißchen mehr Kampfeslust entwickeln.Aber warum wehren Männer sich oft doppelt so heftig gegen weibliche Konkurrenz? Wäre es nicht viel reizvoller, spannender und ertragreicher mit mehr Frauen zusammenzuarbeiten - ich denke da weniger an Sekretärinnen.Es muß ja nicht gleich über den Kabinettstisch hinweg geflirtet werden, wie dies in Schweden gerade passierte.(Im fortschrittlichen Schweden mußte dann übrigens die Ministerin gehen, nicht der Herr Ministerkollege.)

Wie dem auch sei.Es tut sich etwas in der Republik.Denn wenn auch die Frauen in dieser Regierung hauptsächlich wieder klassische Ressorts wie Gesundheit oder Familie übernehmen - die Debatte ist da und strahlt auf die gesamte Gesellschaft aus.Die Lust gerade der jüngeren Politikerinnen an Verantwortung und eben auch Macht ist spürbar und wird vielleicht auch Bankkauffrauen und Regieassistentinnen beflügeln - und sie ermutigen, pragmatisch und selbstbewußt aufzutreten, Ansprüche zu stellen.Vielleicht gelingt es den neuen und alten Frauen in Bonn und Berlin ja, in dieser Hinsicht Vorbilder zu werden.Damit wäre Politik wieder populär, vergessen wäre die Parteiverdrossenheit.Das müßte eigentlich alle freuen.

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