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Kultur: Rache ist Recht

Wintermärchen: „Epsteins Nacht“ mit Adorf und Bruno Ganz

Es war einmal. Ein Mann kommt aus dem Gefängnis, staunt über das neue Kanzleramt, trifft die seit einem halben Jahrhundert tot geglaubte Jugendliebe seines besten Freundes und erzählt ihr, warum er im Gefängnis saß. Ein Racheakt – oder auch Notwehr.

Es war einmal. In die Erzählung des Mannes sind weitere Rückblenden eingeflochten, Geschichten vom Konzentrationslager und von der glücklichen Kindheit davor. Schöne, schreckliche Erinnerungen.

Eine Moritat im Märchenton also. Mit gleich mehreren Märchenonkeln, den besten, die der deutschsprachige Film derzeit zu bieten hat: Mario Adorf, Bruno Ganz und Otto Tausig. „Epsteins Nacht“, dieses Sittengemälde von Freundschaft und Verrat, Schuld und Vergeltung, versammelt exzellente Schauspieler, neben den drei alten Herren noch Günter Lamprecht als Bösewicht und dazu Nina Hoss. Das ist leider schon das Beste, was sich über diesen Film im Fernsehformat sagen lässt. Regisseur Urs Egger hat sich mit „Opernball“ einen Namen gemacht, auch das Drehbuch von Jens Urban hält sich an die Konventionen eines TV-Movies.

Da ist Adorf, der Schrotthändler Epstein: großspurig, impulsiv, loyal. Und Bruno Ganz alias Adam Rose: ängstlich, romantisch, naiv. Ein Riesenbaby mit Wollmütze. Dazu Otto Tausig als diplomatischer Bruder Karl: bloß keinen Streit. Aber der ist unvermeidlich. Denn Epstein entdeckt Heiligabend in einer Spandauer Kirche den NS-Schergen aus Birkenau. Ist er’s wirklich: Obersturmführer Giesser, da vorn im Priestergewand? Und wenn ja, was machen wir mit ihm?

Aristotelische Tragödien über die Rache der Opfer an ihren Peinigern sind im Kino nicht neu: Schon Jurek Beckers Roman „Bronsteins Kinder“ und Ariel Dorfmans chilenisches Theaterstück „Der Tod und das Mädchen“ wurden für die Leinwand adaptiert. Beide machen das Täter-Opfer-Schema obsolet; der Zuschauer selbst gerät in einen moralischen Konflikt. In „Epsteins Nacht“ hingegen wird alles pädagogisch wertvoll ausdiskutiert und durchbuchstabiert. Jede Geste eine Übertreibung, von keinem Zweifel, keinem Schatten getrübt. Es schmerzt, diese großen Akteure ihr Talent so verschwenden zu sehen. Auch beim Showdown zwischen den sympathisch starrköpfigen Überlebenden mit bad guy Lamprecht sind die Fronten klar: hier die armen Opfer, dort der selbstgerechte, aggressive, uneinsichtige Täter.

So wird selbst die Geschichte in der Geschichte, die Legende von der Freundschaft, die damals im Lager das Leid und den Tod anderer in Kauf nehmen musste, zum Rührstück verniedlicht. Adorf und Ganz, der heimliche Beschützer und der vom Alter ausgebremste Traumtänzer, das könnte ein großes Leinwandpaar sein. Der Film nimmt ihnen den Freiraum dafür – wegen ein paar Rückblenden mehr.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Kosmos,

Kulturbrauerei und Zoo Palast

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