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Kultur: Rache ist weiblich

„Kill Bill Vol. 2“: Quentin Tarantino vollendet mit Uma Thurman seine blutig-ironische Kino-Saga

Auch wenn der Regisseur da und dort herumfrozzelt, in fünfzehn Jahren „Kill Bill 3“ oder gar „4“ nachzulegen: Dies ist das Ende. Das Ende einer virtuosen, ultrabrutalen, infantilen, fußfetischistischen, obercoolen, durchironisierten Rachesaga. Die geschändete Braut (Uma Thurman) hat ihre Todesliste gewissenhaft abgehakt. Das Leben von Budd (Michael Madsen), Elle Driver (Daryl Hannah) und Bill (David Carradine) ist zuverlässig erledigt. Der Abspann läuft. Und die erste Frage, die sich aufdrängt, lautet: Ja und?

„Kill Bill Vol. 2“, Fortsetzung von „Kill Bill Vol. 1“ nach 189 Tagen, ist eine Enttäuschung. Regisseur Quentin Tarantino, 41, hatte seine Zuschauer aus Teil eins mit einem Cliffhanger im Stil der täglichen Seifenopern entlassen und das Ende der Rache vertagt. Nun spult er seine zweite Filmrolle gnadenlos ab. Vor sechs Monaten war man immerhin noch mit dem Gefühl nach Hause gegangen, dass „Vol. 2“ alles beantworten würde; dass Hoffnung bestand für den unfertigen Film; dass sich die Einzelteile des mit dem kraftvollen Hieb eines Samuraischwertes in der Mitte auseinandergehackten Films zu einem Meisterwerk zusammensetzen würden. Doch: ach!

Im Rückblick sieht sich der erste Teil gleichzeitig auf- und abgewertet. Aufgewertet, weil er deutlich besser ist als der zweite Teil. Abgewertet, weil seine vielen Versprechen nicht eingelöst werden. Ein Beispiel für die verschenkten Möglichkeiten ist das Thema des Hybriden: Tarantino legt zunächst großen Wert darauf, das sich die Kontrahentinnen durch ihre ethnische Herkunft von Uma Thurmans weißer Braut unterscheiden. Gegenspielerin Lucy Liu etwa ist eine japanisch-chinesische Amerikanerin. Diese Hervorhebung findet sich auch auf der ästhetischen Ebene, wenn Tarantino eine japanische Anime-Sequenz mit Italowesternmusik zu einem postmodernen Mischprodukt verschmilzt. Im zweiten Teil verläuft diese Spur im Nichts.

Gleichzeitig folgt nichts Neues. Die im ersten Teil angeschobene Handlung bringt Tarantino auf den zuvor ausgelegten Schienen mit mehreren Rückblenden sicher, solide und überraschungslos nach Hause. Nur rollt „Vol. 2“ noch ein wenig lustloser und langatmiger (er dauert fast eine halbe Stunde länger). Tatsächlich verschiebt der Regisseur nur die Gewichte zweier Hauptmerkmale seines Universums: die Gewalt und den eloquenten Drehbuchtext. Diese Verschiebung allerdings ist auffällig.

„A bit of the old ultraviolence“ – das war, um es mit Stanley Kubricks „Clockwork Orange“ zu sagen, der Schwerpunkt des ersten Teils. Allerdings war schon hier die moralisierende Gewalt-Debatte verfehlt. Denn anders als Mel Gibsons „Die Passion Christi“, in dem Realitätseffekte und Empathiestrategien dominieren, zeichnet sich das Tarantino-Kino seit jeher durch radikale Ästhetisierung, Ironisierung und Zitierung von Gewalt aus. Als wollte er damit drei distanzierende Objektive vor den Kamerasucher klemmen, rückt der Film das Gemetzel in erträgliche Ferne. Im zweiten Teil wirkt die Debatte noch unangebrachter, denn „Vol. 2“ bleibt vergleichsweise harmlos.

Natürlich gibt es auch hier Szenen, in denen eine Frau der anderen ein Auge ausrupft, es auf den Boden fallen lässt, drauftritt und das Glibberzeug durch die Zehen quellen lässt; Szenen, in denen jemand bei lebendigem Leib begraben wird und sich aus dem Sarg zu befreien versucht – während die Leinwand über eine Minute lang schwarz bleibt. Doch diese Eruptionen der Gewalt wirken nicht annähernd so nachhaltig wie die verbalen Ausbrüche: Im zweiten Teil dominiert weniger die Brutalität als die große Rede, der manische Monolog, das großspurige Aufsagen der berühmten TarantinoSätze. Bevor die Figuren zur finalen Tat schreiten, setzen sie zu popkulturellen Mordreden an: mit Anspielungen von „Wer wird Millionär?“ bis „Natural Born Killers“ – Oliver Stones Film, für den Tarantino einst die Idee geliefert hat. Was in „Reservoir Dogs“ (1992) Madonna-Songs und in „Pulp Fiction“ (1994) Quarterpounder mit Käse waren, mündet nun in einen Nonsensdialog über Superman. Thurman, Hannah, Madsen und David Carradine machen das, wie man es von ihnen erwartet: supercool. Sie sind die beredten Handlanger eines Du-weißt-schonFilmemachens.

Das Problem: Die aufgesagten Texte sind weniger witzig und geschliffen wie einst. Oder ist man bloß mittlerweile dieses verbalen In-Pose-Werfens überdrüssig? Nervt es als Ausdruck des heiligen Unernstes, mit dem Tarantino die reale Welt auf Distanz hält – um sich einzig der von ihm heißgeliebten Filmgeschichte zuwenden zu können, die von Truffaut über Sergio Leone bis zu den Shaw Brothers reicht? Mit „Kill Bill“ beschreitet der Zuschauer den Spiegelsaal des Kinos, in dem es bis ins Unendliche immer nur sich selbst reflektiert. Insofern ist „Kill Bill“ auch ein Rückfall hinter die Menschlichkeit von „Jackie Brown“ (1997).

Natürlich ist der Film stilistisch hochelegant. Das liegt nicht zuletzt an Tarantinos Zitierwahn und Referenzmanie, mit denen er gekonnt großes Kino nachspielt. Wie ein Kleinkind baut er seine intertextuelle Sandburg und türmt eine Assoziationsschicht über die andere. Oft kitzelt dieses Spiel allerdings nur das Connaisseurlachen heraus – ein hohles Lachen, das immer ein wenig hysterisch klingt, damit jeder im Kinosaal versteht, dass man selbst verstanden hat. Haha, hier zitiert er die „Karate Kid“-Filme der Achtzigerjahre, die ihrerseits auf frühere Kung-Fu-Filme zurückgreifen. Ui, lustig, ist das nicht eine Anspielung auf das Ende von John Fords „The Searchers“? Und, wow, der Anfang, das ist natürlich klassischer Film Noir: in schwarz-weiß, mit altmodischer Rückprojektion und einer blonden Frau am Steuer eines Oldtimers. In schlechten Momenten – wie einer Zombie-Szene à la George A. Romero – führt das zu einem Humor, der übers „Nackte Kanone“-Niveau nicht hinausgeht: Die cineastische Verneigung schlägt in billige Gagparodie um. Das ist man von Quentin Tarantino nicht gewohnt.

Am Ende leistet sich der Film eine beinahe melodramatische Seligkeit. Trautes Heim, Glück allein: aber eben nur beinahe. Denn Quentin würde nicht Tarantino heißen, verbreitete er nicht auch hier sorgfältig vor allem das Gefühl: Hey man, das gehört doch alles zu meiner augenzwinkernden Aura des Unernsten, you know?

Ab Donnerstag in 26 Berliner Kinos; Originalversion im Babylon Kreuzberg, Cinemaxx Potsdamer Platz und Cinestar Sony Center

Julian Hanich

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