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Kann man bestimmt auch noch Radioeins und Fritz mithören: Altes Neckermann-Radio

© Imago

Radiohören in Berlin ist toptoptop: Neuer Traum vom Gold

Ein Uraltstück von den Simple Minds im Radio? Oder ein neuer Track von Haftbefehl: Was in den meisten Sendern in Deutschland die Ausnahme darstellt, ist in Berlin fast Gewohnheit.

Wer Radio hört, kann was erleben. Zumindest in Berlin. Da saß man also eines schönen Abends vor dem Küchenradio, hörte den sogenannten Berlinale-Talk aus dem „Radioeins“-Bus am Potsdamer Platz, Lars Eidinger sprach gerade über „Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern“, und traute dann seinen Ohren nicht bei der nächsten Musik: sanfte Synthie-Klänge, eine Stimme aus tiefer Pop-Vergangenheit, nein, nicht die von Steve Strange, dem gerade verstorbenen Visage-Mastermind, sondern die von Jim Kerr!

Die Simple Minds, ein Stück ihres 82er-Albums „New Gold Dream“, das ultimative Märchen-Album der Band (ihr letztes gutes, by the way). Und nicht einmal der Titelsong, nicht der Hit „Promised You A Miracle“, sondern das später zwar auch als Single ausgekoppelte, aber nicht erfolgreiche, weil ungleich ruhigere, verträumtere Eröffnungsstück, „Someone Somewhere (In Summertime)“.

Promised You A Miracle? Nicht in Berlin!

Wer es kennt, wer damit groß wurde, wird beim Wiederhören unweigerlich in andere Zeiten, andere Räume versetzt. Doch man muss das Stück nicht besser kennen, um überrascht zu sein, um sich zu fragen: Was machen die da eigentlich bei „Radioeins“? Wie groß ist das denn, ein 82er-Stück von den Simple Minds vor acht Uhr abends auf der Playlist? Was für ein Pop-Weirdo hat sich daran erinnert und 2015 für radiotauglich befunden? (Was es ist!) Oldie-und Hit-Radio geht auch anders als man das so kennt von den vielen einschlägigen Sendern, die die Pop-Radio-Landschaft so übel prägen. Wie gut wir es doch in Berlin haben! Und wie selten man sich das bewusst macht!

Einen Tag später dann das Kontrastprogramm, die rbb-Jugendwelle, „Fritz“, morgens zwischen acht und neun: ein Bericht vom angeblich mit über 2000 Menschen ausverkauften Konzert des Frankfurter Rappers Haftbefehl im Astra, inklusive Stimmen von Konzertbesuchern. Fanden die natürlich alle „geil“. Es folgte, klar, noch ein Haftbefehl-Track, mitsamt der Frage vorm heimischen Küchenradio: Ist es vorstellbar, dass Haftbefehl auch bei „N-Joy“ oder der „Ostseewelle Hitradio“ gespielt wird?

Heftiges, entschlossenes Kopfschütteln: nein, nie! Das aber fix in ein ratloses Kopfschütteln überging: Haftbefehl, ich versteh’ Deine Musik nicht. Will heißen: Ich weiß nicht, warum diese spröde-öden Beats und auch nicht so tollen Reime so „hot“ sein sollen. Ja, 2000 Menschen können zwar irren, fühlen sich anscheinend aber irgendwie gut aufgehoben bei dem Mann. Egal. Liegt vielleicht wirklich am Alter – ist halt ein weiter Weg von den Simple Minds zu Haftbefehl. Aber nur ein kurzer in der Berliner Radiolandschaft.

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