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Kultur: Rätselhafte Einheit der Widersprüche

Grundlagenarbeit: Der junge Pianist Markus Groh glänzt mit Liszt in BerlinVON BORIS KEHRMANNSeit seinem aufsehenerregenden Sieg beim Brüsseler "Reine Elisabeth"-Wettbewerb im Mai 1995 ist der in Berlin an der Hochschule der Künste ausgebildete 28jährige Pianist Markus Groh dabei, sich eine internationale Karriere aufzubauen.Mit dem Programm seiner Deutschland-Tournee, die ihn auch ins Schauspielhaus führte, greift er nach den Sternen.

Grundlagenarbeit: Der junge Pianist Markus Groh glänzt mit Liszt in BerlinVON BORIS KEHRMANNSeit seinem aufsehenerregenden Sieg beim Brüsseler "Reine Elisabeth"-Wettbewerb im Mai 1995 ist der in Berlin an der Hochschule der Künste ausgebildete 28jährige Pianist Markus Groh dabei, sich eine internationale Karriere aufzubauen.Mit dem Programm seiner Deutschland-Tournee, die ihn auch ins Schauspielhaus führte, greift er nach den Sternen.Nicht nur in der einsätzigen h-Moll-Sonate, auch in den sieben Charakterstücken des Italien-Bandes der "Années de Pélérinage" erfüllt Liszt die souverän gehandhabten Form-Zusammenhänge bis zum Bersten mit formsprengenden Gedanken.Vom Interpreten verlangen sie genaueste Planung und traumwandlerische Vertrautheit, soll sich der große Spannungsbogen bei scharf kontuierten Details mitteilen.Markus Groh, dessen Auslegungen nicht mit der heißen Nadel genäht, sondern gut durchdacht sind, gelingt das noch nicht lückenlos.Als Grundlagen einer Weiterentwicklung sind sie dafür umso bewundernswerter. Markus Grohs ausgeprägtes Form-Denken fällt schon im Einleitungsstück der "Années", in der zärtlichen, Debussy vorwegnehmenden Meditation über Raffaels "Vermählung der Heiligen Jungfrau" auf, deren dreiteilige Struktur deutlich herausgearbeitet ist.Bis zum krönenden Abschluß der "Années" in der kraftvoll gesteigerten Dante-Sonate, einer szenisch bis zur Verklärung voranschreitenden veritablen Francesca da Rimini-Oper für Klavier, ja bis zur h-Moll-Sonate herrscht ein gliedernder Geist, der Abschnitt für Abschnitt klar konturiert nebeneinander setzt.Was nicht immer überzeugt, sind die Übergänge.Die Grenzlinien, die mit Fug und Recht scharf gezogen werden, wären nun auch wieder heimlich zu verwischen, organisch zu vermitteln.Erst die rätselhafte Einheit der Widersprüche macht Liszts beste Werke so fesselnd.Sie aber droht vom Eindruck glänzender Episoden überschattet zu werden.Etwa in der "Canzonetta del Salvator Rosa", die als kraftvoll federndes Marsch-Intermezzo mitreißt, im Gesamtrahmen aber wie ein Fremdkörper wirkt. Auch Liszts Pausen, in der h-Moll-Sonate nicht anders als in den "Années", verlangen vom Interpreten Zauberei.Komponierte Echoräume sind es, in denen sich Vergehendes entfernt und Entstehendes heranbildet.Bei Groh gleichen sie noch Warteräumen, in denen sich der Pianist auf den Affekt des kommenden Abschnitts vorbereitet, mit dem er beim ersten Ton bestens eingestimmt vor das Publikum tritt.Es wird spannend sein, die weitere Entwicklung dieses vielversprechenden Liszt-Interpreten zu beobachten.

BORIS KEHRMANN

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