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Kultur: Raketen für Russland

Die Originalfilme der Mondlandung sind verschollen. Dafür gibt es William Karels Film „Opération lune“ (2002): Er erzählt, wie die spektakulären Bilder von Armstrongs kleinem großen Schritt tatsächlich von Stanley Kubrick in einem Hollywoodstudio inszeniert wurden.

Die Originalfilme der Mondlandung sind verschollen. Dafür gibt es William Karels Film „Opération lune“ (2002): Er erzählt, wie die spektakulären Bilder von Armstrongs kleinem großen Schritt tatsächlich von Stanley Kubrick in einem Hollywoodstudio inszeniert wurden. Karel beweist seine These fernsehüblich mit Archivbildern, geschickt geschnittenen Satzfetzen von Kissinger und Co. sowie Zeitzeugeninterviews. Doch der Film ist von vorn bis hinten gefälscht, das wohl berühmteste Mockumentary der Filmgeschichte. Das russische Gegenstück zu Karels Film heißt Die Ersten auf dem Mond und eröffnet am Sonnabend im Babylon Mitte das einwöchige „Kinoblick“-Festival mit Filmen vor allem aus Russland und Kasachstan. Auch in „Pervie na lune“ (so der Originaltitel) gibt es historische Augenzeugen und verschwundene Filmrollen. Auch hier wird eine Verschwörung aufgedeckt und die Geschichte der Weltraumfahrt neu aufgerollt. Doch während Karel sich genüsslich an der Dekonstruktion des westlichen Bilderschatzes weidete, machen sich Aleksej Fedorchenko und sein Team einen Spaß aus der Produktion von neuen: Mit exhibitionistischer Lust werden hier bisher angeblich verheimlichte Bilder eines ebenso geheimen gigantischen Raumfahrtprogramms vorgeführt, das die stalinistische Sowjetunion angeblich betrieb. Es sind imposante Bilder, die durchaus zum Einzug ins visuelle Gedächtnis der Menschheit taugen. Da werden riesige Raketen inmitten eines berittenen Begleittrosses an Ort und Stelle gebracht und mit Seilzügen in die Vertikale gewuchtet, und geheimnisvolle Spuren der sowjetischen Raumfahrt-Eskapaden tauchen bei Indios im chilenischen Hochwüstensand auf.

Eine Woche lang wird in den Berliner Kinos Babylon, Kino Krokodil und Russisches Haus die zurzeit kommerziell wie künstlerisch aufblühende russische Filmlandschaft präsentiert. Dabei ist neben erfolgreichen Mainstream-Produktionen wie Alexej Balabanovs Es tut mir nicht weh/Mne ne Bolno (Mi im Babylon-Mitte, Do im Russischen Haus) und einer Hommage an Aleksander Sokurov auch junges unabhängiges Kino zu sehen. Ein Schmuckstück ist Alina Rudnitckayas Dokumentarfilm Zivilzustand/Grazhdanskoe Sostoyanie (So im Babylon, 30.9. im Krokodil), der für seine warmherzig-satirische Schilderung des Alltags in einem Petersburger Standesamt auf den Oberhausener Kurzfilmtagen ausgezeichnet wurde. Zwischen den dort reichlich vertretenen überambitionierten Kunstfilmen wirkte der mit souveränem Understatement daherkommende Schwarzweiß-Film der jungen Filmemacherin wie ein Relikt einer alten Zeit. Dabei ist er mit suggestiven Schnittfolgen und ausgeklügelter Gefühlsdramaturgie mindestens so raffiniert wie „Die Ersten auf dem Mond“.

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