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Kultur: Raketen-Unglück in Kabul: Rost und Funken: Was Militärexperten als Ursache vermuten

Minen, Geschosse, Raketen - tausende von alten Sprengsätzen aus 23 Jahren Krieg liegen in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf der Straße. Tag für Tag rücken deutsche und dänische Soldaten gemeinsam aus, um alte Kriegsmunition zu räumen, die Einwohner in den Ruinen, auf Grundstücken oder an Wegen finden.

Minen, Geschosse, Raketen - tausende von alten Sprengsätzen aus 23 Jahren Krieg liegen in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf der Straße. Tag für Tag rücken deutsche und dänische Soldaten gemeinsam aus, um alte Kriegsmunition zu räumen, die Einwohner in den Ruinen, auf Grundstücken oder an Wegen finden. "Oft spielen sogar Kinder auf alten Raketen", sagt ein Soldat. Die Experten für Kampfmittelbeseitigung, wie sie im offiziellen Sprachgebrauch heißen, sind sehr gut ausgebildet und gehen umsichtig und mit Verantwortungsbewusstsein ihrer Arbeit nach.

Zum Thema Umfrage: Bundeswehreinsatz in Afghanistan abbrechen? Dokumentation: Die Bundeswehr im Einsatz Fotostrecke: Deutsche Soldaten in Afghanistan Hintergrund: Bei Auslands- einsätzen getötete Bundeswehrsoldaten Schon in Bosnien und im Kosovo haben die deutschen Spezialisten ohne größere Zwischenfälle tausende von Anti-Personen-Minen geräumt und Sprengfallen entschärft. Ihre Ausbildung besteht aus einem rund zwölfmonatigen Feuerwerker-Lehrgang mit dem Fachgebiet Munition. Dort lernen die Soldaten die Grundlagen für den sicheren Umgang mit gefährlichem Kriegsmaterial. Anschließend werden sie in Zusatzlehrgängen laufend fortgebildet.

Auch Raketen des Typs SA-3, der am Mittwochnachmittag explodierte, haben Bundeswehr-Experten bereits entschärft. "In Deutschland sind die letzten Raketen des Typs SA-3 aus den Beständen der Nationalen Volksarmee (NVA) Mitte der 90-er Jahre entsorgt worden", sagte der Munitionsexperte und frühere NVA-Pressesprecher Franz-Lorenz Lill. Bei der Demontage der rund 700 Raketen sei es zu keinerlei Zwischenfällen gekommen.

Grundsätzlich sei es kein großes Problem, sich alter SA-3-Raketen zu entledigen, erklärte Lill. In technisch einwandfreiem Zustand seien die Geschosse relativ sicher zu handhaben und könnten demontiert werden. Dabei würden der Sprengkopf, der Raketentreibstoff und alle anderen explosiven Bestandteile entfernt und anschließend in der Verbrennungsanlage vernichtet oder gesprengt. "Am Ende bleiben dann nur noch Metall- und Elektronikschrott übrig", sagte Lill. Voraussetzung für eine gefahrlose Demontage sei allerdings, dass Spezialwerkzeug zur Verfügung stehe. Ansonsten könnte auch eine statische Aufladung beim Zerlegen der Rakete zu Funkenflug führen und eine frühzeitige Detonation verursachen, ergänzte Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit. Schwierigkeiten bereiteten vor allem verrostete Fundraketen, deren technischer Zustand unklar sei.

Boden-Luft-Raketen sind komplizierte Waffensysteme, betonte Lill. Würden sie nicht regelmäßig gewartet, könne es zu chemischen oder physikalischen Veränderungen kommen, und Metallteile könnten rosten. Dies mache eine Entschärfung gefährlich. "Ungewartete Raketen können eine extreme Gefahr darstellen. Ich würde daher empfehlen, eine solche Rakete an Ort und Stelle zu sprengen", erklärte der Experte. Selbst beim Anbringen einer Sprengladung könne die Rakete hochgehen.

Und genau das ist nach dem Eindruck von Otfried Nassauer offenbar in Kabul passiert. Der Militärexperte glaubt, dass der Treibsatz der Rakete bereits so verrottet war, das er Risse hatte. Beim Ablassen des Treibsatzes in die Sprenggrube könnte es dann durch eine statische Aufladung zur Explosion gekommen sein.

Dem NVA-Munitions-Experten Lill allerdings ist unverständlich, dass sich bei den Sprengarbeiten in Kabul so viele Soldaten in unmittelbarer Nähe der Raketen aufgehalten haben. Nach den strengen Sicherheitsvorschriften der Privatwirtschaft dürften nur zwei Mann an einer Bombe arbeiten, sagte er. "Der Vorfall stimmt ausgesprochen nachdenklich. Das Sprengen einer Rakete ist normalerweise nicht so gefährlich, dass dabei fünf Mann sterben und acht verletzt werden müssten".

Jörg Ziegler

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