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Kultur: Randlage der Nation

Jugend filmt: die „First Steps“-Gala in Berlin

Der Mordfall von Potzlow. Jugendliche auf der Suche nach einer Niedriglohnstelle. Mein Vater war bei der Stasi. Konkursdelikte und andere Verbrechen: Die für den Nachwuchs-Preis „First Steps“ nominierten Dokumentationen erzählen von einer Welt, die kein bisschen in Ordnung ist. Spaßgesellschaft? Nein, es gibt Wichtigeres. Auch die Spielfilme tragen bezeichnende Titel wie „Die Boxerin“, „Nordstadt“ oder „Urlaub vom Leben“. Sie finden ihre Schauplätze an den Randlagen der Nation, in Vororten, Trabantenstädten, Provinznestern. „Beim Sichten“, so Jurorin Barbara Rudnik, „haben wir Frankfurt/Oder ziemlich gut kennen gelernt.“ Und die Filmhelden: Verlorene, Ratlose, Gewaltbereite. Sie wissen nicht weiter, sie schlagen sich durch.

Im Vorjahr hatte Dokumentarfilm-Juror Lutz Hachmeister dem Nachwuchs die Leviten gelesen. Er möge doch endlich über den Tellerrand des eigenen Bekanntenkreises hinausschauen. Bei der diesjährigen First-Steps-Gala im Berliner Musicaltheater am Potsdamer Platz leistet er Abbitte bei den Studenten: So viel soziale Gegenwart, so viel Politik war nie. Vor allem bei den Hauptpreisträgern: Benjamin Heisenbergs „Schläfer“ (HFF München), eine beklemmende Psychostudie über Freundschaft, Terror und Verrat, wurde mit 25000 Euro prämiert. Jasmin Hermanns Kurzspielfilm „Tage aus Nacht“ (HFF Potsdam) über eine nach dem Tod ihres Kindes traumatisierte Mutter erhielt 15000 Euro und Tamara Milosevics Potzlow-Doku „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ (Akademie Ludwigsburg) 12000 Euro.

Bonjour Tristesse beim Kino von morgen? Von wegen. Sarah Kuttner moderiert im Turbotempo, rattert Zahlen („5127 Filmminuten, 302620 Sekunden“), Sponsoren und Preiskategorien herunter und gibt das freche Mädchen. „First Steps“ schlingerte bislang gelegentlich zwischen aufgesetztem Glamour und verkrampfter Seriosität. Im sechsten Jahr findet die Gala ihren angemessenen Ton. „Wir sehen jetzt aus wie Dick und Doof“: Die kleine Kuttner kabbelt sich mit den Größen der Branche und bietet den Initiatoren des Preises Paroli, von Sat1-Geschäftsführer Roger Schawinski bis zum Spiegel-TV-Chef Stefan Aust. Und die Preisträger bedanken sich nassforsch für die „Kohle“ oder freuen sich über das „Wow“-Fest an diesem Abend.

Polyglotte, energische Jugend. Sie albert herum, die Filme sprechen von Gewalt und Härte. Das passt nicht immer zusammen, aber zum Glück bleibt der Spagat frei von zynischen Tönen. Nur bei den Werbefilmen ist das naturgemäß anders: Hoffentlich macht deren Respektlosigkeit in der deutschen PR-Branche bald Schule. Die Preisträger Steffen Hacker und Alexander Kiesl bewerben Xbox mit einem gnadenlosen Jumbo-Wettrennen auf ebener Erde. Fliegen ist eben doch nicht immer schöner.

„Best of First Steps“ am 29.8. (21 Uhr) beim Museumsinsel-Festival vor der Alten Nationalgalerie. Infos:www.firststeps.de

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