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Kultur: Rasender Stillstand

Vor über zehn Jahren stellte der Berliner Galerist Nothelfer im Rahmen eines Künstleraustauschs zwischen Galerien in Berlin und Tokyo erstmals Werke des 1924 in Amagasaki geborenen Malers Kazuo Shiraga aus.1992 folgte eine Werkschau.

Vor über zehn Jahren stellte der Berliner Galerist Nothelfer im Rahmen eines Künstleraustauschs zwischen Galerien in Berlin und Tokyo erstmals Werke des 1924 in Amagasaki geborenen Malers Kazuo Shiraga aus.1992 folgte eine Werkschau.Jetzt war eine Ausstellung mit Arbeiten auf Papier geplant.Doch Shiraga ist in Japan prominent und verkauft gut.Weniges stand zur Auswahl, und so dominieren wieder Ölgemälde, zur Hälfte Anfang der sechziger, zur Hälfte Anfang der neunziger Jahre entstanden (zwischen 90 000 und 140 000 Mark); dazu kommen zwei Aquarelle von 1993 (je 12 000 Mark) und ein Siebdruck (900 Mark).

Shiragas Malerei ist "Action Painting" pur, allerdings nicht als japanische Version der US-amerikanischen Spielart, sondern als ein vergleichbares Parallelphänomen, verkörpert von der Mal- und Aktions-Gruppe GUTAI (konkret), der Shiraga ab 1955 angehörte.Eine Retrospektive auf der Mathildenhöhe in Darmstadt machte die Gruppe 1991 auch in Deutschland bekannt.Shiraga hatte den "heißen Weg zur abstrakten Malerei" nach einem Studium der klassischen japanischen Malerei in Kyoto über van Gogh, den deutschen Expressionimus und die Kunst des japanischen Farbholzschnitts entdeckt.Seine Im Rahmen von GUTAI kam er zu seiner charakteristische Ausdrucksform.Sie verlangt vollen geistigen und körperlichen Einsatz - vergleichbar dem Zen-Buddhismus, dessen Meister Shiraga ist.

Shiraga "malt" mit dem ganzen Körper in Lehm und Schlamm; er benutzt die Hände, die Füsse, den Teil des Körpers, der seine Schwere trägt und welcher der Erde am nächsten ist.Barfuß steigt Shiraga in die Farbe und verteilt sie über die weiße Fläche.Er hängt oder schwingt, an ein Tau gefesselt,über der Leinwand und gibt den Malmitteln im Rhythmus seiner Bewegungen ihre Form, überträgt Druck und Dynamik des Körpers in ihre plastische Masse.Sein Malen ist ein Treten und Stoßen, Schliddern und Stampfen, ein blitzschnelles und konzentriertes Auftragen.Meditation, inneres Leerwerden gehen der Aktion voraus.Danach ruht das Werk viele Wochen auf dem Boden.Aufgespannt bedarf es Jahre zum endgültigen Trocknen.

Shiraga hat eine Vorliebe für die Farbtöne Rot, Braun, Blau und Schwarz.Vor hellem Untergrund, manches Mal von exzentrisch stiebenden Spritzern strukturiert, tauchen explosionsartig breite Farbkurven auf, umschlingen sich in rasendem Stillstand, züngeln wie höllische Feuersbrunst, betören die Sinne.Trotz verzehrender Pracht und dionysischer Intensität setzen sie kalligraphische Elemente frei, die - von traditioneller Erscheinung und Bedeutung weit entfernt - einheimischen Betrachtern oder Kennern der zeichenhaften japanischen Schrift assoziative Hinweise geben.Aber auch Uneingeweihte fernöstlicher Kultur werden von Shiragas Kraftfeldern aus Farbe und Bewegung magisch angezogen.

Galerie Georg Nothelfer, Uhlandstraße 184, bis 12.Mai; Dienstag bis Freitag 14-18.30 Uhr, Sonnabend 10-16 Uhr.

MICHAEL NUNGESSER

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