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Kultur: Rauch-Zeichen

Kulturföderalismus live: Preußens Kunst in Bad Arolsen

Die moderne Mär vom Selfmade Man will auf diesen feinen Kopf nicht recht passen. Zwar hatte sich der preußische Hofbildhauer Christian Daniel Rauch, vor 225 Jahren im nordhessischen Arolsen geboren, aus bescheidenen Verhältnissen in die gesellschaftliche Elite Berlins hochgearbeitet. Mehr noch: Künstlerisch füllte er diese Spitze ganz aus – ein Goethe der Bildhauerei. Doch wie viele Berliner verbinden noch etwas mit dem Namen des klassizistischen Künstlers, der das Reiterstandbild Friedrichs des Großen oder die unlängst gegenüber der Neuen Wache aufgestellten Standbilder der Generale Gneisenau und Bülow schuf?

Bad Arolsen, die komplett erhaltene Residenzstadt des einstigen Mini-Fürstentums Waldeck-Pyrmont, hält dagegen. Wer sich über die Landstraße von Kassel nähert, steht vor einem stattlichen Barockschloss. Hier half der junge Rauch, Sohn eines Kammerlakaien, 1789 beim Auspacken einer Goethe-Büste von Alexander Trippel. Ein paar Schritte weiter können wir nun die künstlerischen Folgen dieses pubertären Erweckungserlebnisses besichtigen. In dem um 1750 errichteten Marstall wurde am Wochenende ein mit Dauerleihgaben aus den Depots der Berliner Nationalgalerie reich bestücktes Museum eröffnet. Bernhard Maaz (Berlin) und Birgit Kümmel (Arolsen) breiten neben dem Werk von Rauch auch das seiner Vorbilder und Schüler anhand von 100 Beispielen aus.

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nennt die seit 1998 vorbereitete Kooperation mit dem Land Hessen, der Stadt Arolsen und der fürstlichen Domanialverwaltung modellhaft: „Das Museum sollte ein Ort werden, durch den der Reichtum der gesammelten Schätze im historischen Kontext erlebbar wird – und das Schule macht.“ Lehmann verweist auf sein föderales Aktionsprogramm, das sich an alle der Preußen-Stiftung finanziell verpflichteten Bundesländer richtet. Neben weiteren Museumsprojekten (derzeit verhandelt man über die Bespielung des nordbrandenburgischen Damenstifts Heiligengrabe durch das Museum Europäischer Kulturen) können per Katalog fertig kuratierte Sonderausstellungen abgerufen werden. Dritte Säule des Angebots sind langfristige Leihgaben von derzeit in Berlin nicht ausgestellten Spitzenstücken, etwa aus der Skulpturensammlung an das Frankfurter Liebig-Haus.

In Arolsen, das wegen seiner großen Söhne Rauch und Wilhelm von Kaulbach im 19. Jahrhundert als Zentrum eines Genieländchens galt, ergänzt die Berliner Gabe eine beachtliche kommunale Museumslandschaft - und macht mit dem so oft beschworenen Kulturföderalismus ernst. Finanziert wurde das 1,5 Millionen Euro teure Unternehmen durch öffentliche Mittel aus Hessen und mäzenatische Großzügigkeit vor Ort. Gewonnen haben alle Beteiligten: die Arolser ein lichtes, doch beileibe nicht leichtgewichtiges Museum; das Land Hessen die erste Museumsneueröffnung seit zehn Jahren; die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein kulturpolitisches Beweisstück ihrer nationalen Bedeutung und die Berliner ein wunderbares Ausflugsziel, an dem sie einem der ihren begegnen können.

Christian-Daniel-Rauch-Museum, Bad Arolsen, Schloßstr.30, Mi-Sa 14-17 Uhr, So 11-17 Uhr. Katalog (Deutscher Kunstverlag) 25 €.

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