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Kultur: Raum für Ideen

Zum Tod des Ausstatters Reinhart Zimmermann

Zu Beginn gewährt nur ein Sehschlitz den Blick auf die Bühne: Während der „Torero-Marsch“ aus dem Orchestergraben donnert, werden Stierkämpfer von einer Menge gefeiert. Schließlich wird die ganze Szene sichtbar: ein düsterer Hinterhof. Hier regiert Carmen ihre Gossen- Girls, hier wird Escamillo einen Popstar- Auftritt hinlegen, hier geht Bizets Drama blutig zu Ende. Das höchst suggestive Bühnenbild zu Harry Kupfers legendärer „Carmen“-Inszenierung lieferte Reinhart Zimmermann, von 1963 bis 2001 Ausstattungsleiter der Komischen Oper Berlin. Er hat die goldenen Jahres des Hauses entscheidend mitgeprägt, als Theaterpraktiker wie -pragmatiker.

Seine Bühnenräume lieferten den atmosphärisch angemessenen Hintergrund für die Personenführung der Regisseure. Unvergesslich sein Bühnen-Paris à la Toulouse-Lautrec für Kupfers „La Bohème“, bezaubernd seine Kostüm-Kühe in Händels „Giustino“, virtuos die rotierenden Gaze-Elemente für Christine Mielitz’ „Werther“.

1936 in Erfurt geboren, absolvierte Reinhart Zimmermann zuerst eine Ausbildung zum Werbegestalter und Theatermaler. 1954 wird er als Bühnenbildassistent ans Landestheater Halle engagiert, von wo er mit Rudolf Heinrich an die Komische Oper Berlin wechselt. Zimmermann arbeitet viel mit Götz Friedrich zusammen, stattet die DDR-Erstaufführung von Gershwins „Porgy & Bess“ aus, schafft es 1971 zusammen mit Friedrich sogar in den „Spiegel“: Hymnisch der Bericht des Nachrichtenmagazins über die Saisoneröffnungspremiere der Komischen Oper, Massenets „Don Quichotte“, den der Regisseur nicht als zu spät gekommenen Ritter, wie bei Cervantes, zeigt, sondern „als zu früh gekommener Revolutionär, der am Zynismus der spätbürgerlichen Gesellschaft zerschellt“: „Assistiert vom Bühnenbildner Reinhart Zimmermann bietet Friedrich nicht nur Striptease und Sektbad, er zeigt bei offenem Vorhang auch die Kehrseite des orgiastischen Lichterparadieses“, heißt es in dem Artikel weiter. „Die Bühne braucht sich nur zu drehen, und schon wird ein finsterer Hinterhof sichtbar, wo Don Quichotte in Schutt und Kehricht enden soll.“ Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Reinhart Zimmermann, dessen Produktionen leider mittlerweile alle aus dem Repertoire der Komischen Oper verschwunden sind, bereits am 11. Juli in Berlin verstorben. Frederik Hanssen

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