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Kultur: Raus aus der Anstalt!

Ralf Huettners Komödie „vincent will meer“

„Ich habe einen Clown im Kopf, der mir zwischen die Synapsen scheißt“, sagt Vincent zu Marie. Und erklärt ihr so seine Krankheit, das Tourette-Syndrom. Vincent hat Zuckungen, Krämpfe, er schneidet Grimassen, stöhnt, flucht unwillkürlich. Als er und die magersüchtige Marie aus der Klinik abhauen wollen und ihr Mitpatient, der Zwangsneurotiker Alex, plötzlich auf der Autorückbank sitzt und rumnervt, raunzt Vincent ihn an: „Du musst ja nicht mit … ficken!“ Ein Anfall, nur ein Anfall.

Das folgende Twentysomething-Roadmovie Richtung Süden trägt den abgegriffenen Wortspieltitel „vincent will meer“. Regie geführt hat Ralf Huettner („Musterknaben“), das Drehbuch stammt von Vincent-Darsteller Florian David Fitz („Männerherzen“). Nach dem Tod der Mutter will Vincents Vater (Heino Ferch als gestresster Lokalpolitiker) den Sohn zwar lieber in die Klinik stecken, aber Vincent hat eigene Pläne. Er will die Asche seiner Mutter in einer Bonbondose nach Italien bringen, in den Badeort San Vincente (!), da war sie mal glücklich. Da trifft es sich gut, dass Marie gerade den Autoschlüssel der Chefärztin (Katharina Müller-Elmau) geklaut hat.

Die Krankheit, die Freundschaft, das Meer: Der Film arbeitet mit allerlei Versatzstücken, von „Knocking on Heaven's Door“ über „Renn, wenn du kannst“ bis „Das weiße Rauschen“. Und läuft freitagfernsehabendmäßig solide durch. Einmal prellen die drei an der Tankstelle die Zeche, verunglückten Sex gibt es auch, und irgendwann bricht Marie (auf hohlwangig geschminkt: Karoline Herfurth) entkräftet zusammen. Aber natürlich ist der Krankenwagen gleich zur Stelle.

Dass der Film versucht, zugleich ernsthaft und komödiantisch zu sein, tut ihm nicht gut. Fitz spielt den Tourette-Kranken beeindruckend, aber seine Figur wirkt wie am Reißbrett entworfen. 27 Jahre alt, Zuckungen seit der Kindheit – und noch nie in Behandlung? Ein verständnisloser Vater, der sich ausgerechnet von der attraktiven Ärztin seines Sohnes den eigenen Irrweg aufzeigen lassen muss? Auch Sauberkeitsfreak Alex (Johannes Allmayer) scheint nie zu leiden, sondern bleibt stets der liebenswerte Freak aus der Klapse.

Wenn dann auch noch bei den unvermeidlichen „Drei Freunde tollen über grüne Bergwiesen“-Szenen bloß fader Gitarrenrock eingespielt wird, als Hinweis auf Freiheit und Abenteuer, helfen auch die schönen Alpenpanoramen nicht. Da will der Zuschauer irgendwann einfach nicht meer. Jan Oberländer

In zwölf Berliner Kinos

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