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Elfriede Jelineks Doppelstück "Die Schutzflehenden/Die Schutzbefohlenen" feierte im Oktober 2015 am Schauspiel Leipzig Premiere.

© dpa/Sebastian Willnow

Reaktionen auf AfD-Wahlerfolg: Kulturschaffende warnen vor rechtspopulistischer Partei

Tabuisierung hilft nicht, Banalisierung auch nicht: Wie Matthias Lilienthal, Jeanine Meerapfel, Philipp Ruch und andere Kulturschaffende auf den Wahlerfolg der AfD reagieren.

Zahlreiche Kulturschaffende haben am Tag nach der Drei-Länder-Wahl mit den zweistelligen Ergebnissen der AfD in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur kritischen Auseinandersetzung mit der Partei aufgerufen, von Jeanine Meerapfel, der Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, bis zu Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit.

Der Intendant der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal, fordert eine Auseinandersetzung von Künstlern und Intellektuellen mit den Rechtspopulisten der AfD. „Ich glaube nicht, dass eine Tabuisierung der AfD irgendetwas hilft“, sagte Lilienthal, dessen Theater sich für Flüchtlinge engagiert, zum Beispiel mit der umstrittenen "Schlepper- und Schleuser"-Tagung oder auch einem wöchentlichen "Welcome Cafe" ab Anfang April.

Lilienthal zufolge sollten Künstler und Intellektuelle darüber reden, "warum sie die Positionen der AfD ablehnen und warum es gut ist, dass Flüchtlinge in unser Land kommen. Wir brauchen ein Votum für eine offene Gesellschaft, in der das Dazukommen zum Beispiel von Syrern und Irakern unsere Gesellschaft bereichert.“ Alle AfD-Wähler werde man mit Argumenten zwar nicht erreichen - „aber es gibt auch welche, die man erreichen kann“. Die AfD nutze die Ängste der Menschen vor einem sozialen Abstieg aus.

Akademie-Präsidentin Meerapfel: Der Verfassungsschutz soll die AfD beobachten

Die Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, Jeanine Meerapfel, warnte vor der Partei. Sie sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden, schließlich sei das Recht auf Asyl in der Verfassung verankert. Die Geschichte Deutschlands verpflichte uns dazu, Menschen aufzunehmen, die vor Krieg und Zerstörung fliehen. „Es ist perfide von der AfD, diese Verpflichtung zu banalisieren und den Menschen einzureden, unser Wohlstand sei in Gefahr.“

Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, möchte, dass der Verfassungsschutz die AfD im Blick hat.
Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, möchte, dass der Verfassungsschutz die AfD im Blick hat.

© dpa

Der Schweizer Theatermacher Jossi Wieler wiederum rief zur Akzeptanz des Wählerwillens auf. „Die AfD ist in das Parlament gewählt worden. Das war ein demokratischer Prozess“, sagte der Intendant der Staatsoper Stuttgart. „Jetzt müssen die Abgeordneten dieser Partei zeigen, dass sie ein Demokratieverständnis haben, das auf der Landesverfassung fußt“, so der 64-Jährige. Dazu gehöre auch die Freiheit der Kunst in ihrer Vielfalt. Man müsse darauf achten, dass dieses Grundrecht auch von der AfD respektiert wird.
Hanser-Verlagschef Jo Lendle zeigte sich erschrocken: „Dass eine Partei ohne echtes Wahlprogramm und ohne Lösungsvorschläge bei einer Landtagswahl aus dem Stand auf fast ein Viertel der Stimmen kommt, lässt einen erschaudern.“ Deutschland müsse aufpassen, „kein von Launen getriebenes Land zu werden“.

Kulturrat: Das Wahlprogramm der AfD gefährdet die Freiheit der Kultur

Auch der Deutsche Kulturrat rief zum Widerstand gegen die AfD-Politik auf. Wenn der erste Schock überwunden sei, müssten Kulturschaffende den Forderungen der AfD so schnell wie möglich Einhalt gebieten, so Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Er bezieht sich damit unter anderem auf das Wahlprogramm der Partei, die Museen, Orchester und Theater zu einem positiven Deutschland-Bezug verpflichten will. „Das ist genau das, was wir glücklicherweise überwunden haben“, sagte Zimmermann. Aus gutem Grund gebe es bislang einen Unterschied zwischen denen, die Kunst machten, und denen, die Kunst finanzierten. Es könne nicht sein, dass die AfD diesen Konsens aufbreche.

Philipp Ruch vom „Zentrum für politische Schönheit“ wertet den Wahlerfolg der AfD als „Riesenkatastrophe für dieses Land“. „Was unterschätzt wird, ist der Machthunger und der politische Extremismus der AfD“, betonte der 34-Jährige. Wenn sich AfD-Wähler überwiegend als Zeichen des Protest so entschieden hätten, wüssten sie nicht, wie Politik funktioniere. Zum "positiven Deutschland-Bezug" sagte Ruch, er glaube, das sei völkisch gemeint, nicht in Bezug auf Bevölkerung. Zuwanderer seien also nicht eingeschlossen. Die Mitte der Bevölkerung müsse die AfD von der Straße treiben, forderte der Aktionskünstler und Autor.

Und in dem am Donnerstag erscheinenden "Philosophie"-Magazin schreibt der Philosoph Wolfram Eilenberger in seinem Essay "Die Apokalypse für Deutschland?" zum Aufstieg der AfD: "Der gemeine Angstbürger von heute erahnt seine Fixierung auf vergangene Besitzstandshorizonte ja als letztlich hoffnungslos. Gerade deshalb beharrt er mit besonderer Aggressivität auf ihnen." (dpa/Tsp)

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