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Ob Sir Simon Rattle sich jetzt eins ins Fäustchen lacht? Die Musiker (123 von 124 Wahlberechtigten) konnten sich am Montag nicht auf seinen Nachfolger für die Zeit ab 2018 einigen.

© dpa

Reaktionen auf Wahl der Philharmoniker: „Dauert ja länger als 'ne Wagner-Oper“

Was ist los mit den Berliner Philharmonikern? Ein neuer Chefdirigent ist bislang nicht gefunden, die Reaktionen schwanken zwischen Wut, Diplomatie und Heiterkeit.

Die Nachricht von der geplatzten Chefdirigenten-Wahl der Berliner Philharmoniker hat teils empörte, teils heitere, aber auch nachdenkliche Reaktionen hervorgerufen. Berlins Kulturstaatssekretär äußert sich erwartungsgemäß diplomatisch. "Es ist zuweilen besser, eine wichtige Entscheidung zu vertagen, als eine zu treffen, die auf keine ausreichende Zustimmung im Orchester stößt," sagte er dem Tagesspiegel. Er sei zuversichtlich, "dass die Philharmoniker am Ende des Diskussionsprozesses zu einer überzeugenden, von einer großen Mehrheit getragenen Lösung finden werden."  Das Land Berlin, heißt es seitens der Kulturbehörde, legt Wert auf die Autonomie des Orchesters und auf die Staatsferne seiner künstlerischen Entscheidungen. Sollten sich die Philharmoniker "binnen eines Jahres" (wie sie gestern mitteilten) auf einen neuen Chefdirigenten einigen, verhandelt auch nicht das Land dessen Gehalt mit ihm, sondern die Stiftung der Philharmoniker. Beziehungsweise Michael Müller als Stiftungsratsvorsitzender - und nicht in seiner Eigenschaft als Regierender Bürgermeister. Das Gehalt muss aus den staatlichen Zuwenden finanziert werden, das sind zur Zeit knapp16,8 Millionen Euro (Landes- und Lottomittel).

"Die Unsicherheit schwächt das starke Image des Orchesters"

Die “New York Times“ spekuliert über Richtungskämpfe unter den Musikern und nennt namentlich Thielemann und Nelsons als hochgehandelte Kandidaten. „Orchesterdemokratie kann hart sein“, kommentiert die Zeitung. Der britische „Guardian“ hält es für möglich, dass es den Philharmonikern vielleicht nicht gelungen ist, Wunschkandidaten wie Nelsons, Janssons oder auch Barenboim von ihren aktuellen, teils erst kürzlich vereinbarten oder verlängerten Posten in Boston, München oder Berlin abzuwerben. Entweder die Musiker schlucken die Thielemann-Kröte, schreibt Tom Service dort, oder sie erwägen den Verzicht auf das klassische Chefdirigenten-Modell und probieren alternative Leitungsformen aus.

Der renommierte britische Musikpublizist Norman Lebrecht sorgt sich in seinem Blog um das Ansehen der Philharmoniker: „Die Unsicherheit, die am Montag ans Licht kam, schwächt das starke Image des Orchesters“, schreibt er im Klassikforum slippedisc.com. Auch befürchtet er, dass Kandidaten, die gestern womöglich auf einen Anruf warteten, bei der nächsten Wahl für die Philharmoniker  nicht mehr erreichbar sein werden. „Niemand wird gerne übergangen oder nur für den Zweitbesten gehalten“. In den Kommentaren darauf geht es hoch her, manch einer kocht gar vor Wut: „Was für eine Bande von selbstherrlichen Masters of the Universe”, heißt es dort. „Furtwängler und Karajan werden sich im Grab rumdrehen.” Und ein „Andrey“ meint, ähnlich die der "Guardian", ein einzelner Chefdirigent sei vielleicht gar nicht mehr nötig: „Die Zeiten der Monogamie sind vorbei.“

Twitter-Gemeinde witzelt über Wahlschlappe

Die Twitter-Gemeinde nimmt die Wahlschlappe unter dem Hashtag #BerlinPhil überwiegend mit Humor: „Das dauert ja länger als 'ne Wagner-Oper“, hieß es auf dem Twitter-Blog der Philharmoniker schon am Montagnachmittag. „Wie wär’s mit James Last oder Hugo Strasser?“, schlägt ein anderer vor. Und schließlich: „Bis zur Flughafen-Eröffnung muss er halt da sein.“

Die Berliner Philharmoniker hatten sich am Montag zur Wahl von Simon Rattles Nachfolger im Gemeindesaal der Dahlemer Jesus Christus Kirche versammelt und hatten sich auch nach elf Stunden und mehreren Wahlrunden nicht auf einen Kandidaten einigen können. Sie wollen die Wahl bis spätestens in einem Jahr wiederholen.

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