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Kultur: „Realismus ist fürchterlich“

Norbert Bisky, der erfolgreichste junge Maler Berlins, musste früher gegen NS-Vorwürfe kämpfen. Jetzt ringt er mit den Klassikern

Herr Bisky, erschrecken Sie manchmal über Ihren Erfolg?

Nein. Ich kann durch die Straßen laufen, ohne Autogramme geben zu müssen. Wer beschäftigt sich schon mit Malerei? Das ist ein sehr überschaubarer Kreis von Leuten.

Ihre Ausstellung war schon bei der Eröffnung ausverkauft, obwohl Ihre Gemälde bis zu 35000 Euro kosten. Das letzte Bild, das noch nicht ganz trocken in die Galerie kam, wurde von einem Darmstädter Sammler blind gekauft. Inzwischen scheint es egal zu sein, was auf der Leinwand zu sehen ist, Hauptsache es ist ein Bisky.

Dieser Sammler beschäftigt sich schon länger mit meiner Arbeit, er bringt mir Vertrauen entgegen. Marktkategorien sind mir nicht wichtig. Ich kann ja nicht im Atelier sitzen und über den Markt nachdenken. Die Moden des Marktes wechseln ständig, wollte ich da immer hinterher sein, wäre ich auf verlorenem Posten. Und dass das Bild bei der Eröffnung noch nicht trocken war, lag daran, dass es hauptsächlich aus Rot besteht. Farbpigmente haben unterschiedliche Trockenzeiten. Bei Rotpigmenten kann es bis zu drei, vier Monaten dauern, bis sie trocken sind. Um das zu verhindern, müsste ich ganz schnell mit Acryl oder Tempera rumschmieren. Das mach ich aber nicht. Ich glaube an die Ölmalerei. Es ist gut, wenn ein Bild lange vor sich hintrocknet und das Material ein bestimmtes Tempo vorgibt.

Sie sind jetzt eine sehr begehrte Marke auf dem Kunstmarkt. Haben Sie sich den Kapitalismus so vorgestellt?

Über den Kapitalismus habe ich sehr viel in der Schule gelernt und im Prinzip stimmt das auch alles. Ich bin auf diese Wirklichkeit gut vorbereitet worden. Aber Marken sind Massenwaren. Markenhersteller müssen ein Interesse daran haben, sehr bekannt zu sein, um ihr Produkt an ganz viele Leute loszuwerden. Meine Produktionsmöglichkeiten sind aber sehr begrenzt. Ich will keine Marke sein. Was ich aber gut finde, ist eine Adresse. Dass ich eine Position habe, von der aus ich handeln, aber auch Haken schlagen kann.

In der Ausstellung hängen nur fünf Bilder, die allerdings teilweise wandgroß sind. Malen Sie langsam?

Ich bin mein eigener Zensor und gebe nur Bilder heraus, die ich für gelungen halte. Da ich die Ölfarbe wie in einer Aquarelltechnik behandle, gibt es nur wenig Möglichkeiten, ein Bild zu korrigieren. Meine Malerei ist immer luftiger geworden, es gibt große Flächen, auf denen die Leinwand frei liegt. Wenn ich da eine Figur draufsetze und später denke, nee, die sitzt da falsch, dann muss ich die Leinwand wegschmeißen. Das tue ich auch sehr oft. Ich glaube nicht daran, dass man die Arbeitsspuren, die Anstrengungen und Mühen des Malers auf dem Bild sehen muss. Das Ergebnis zählt. Es muss ein gutes Bild zu sehen sein am Ende. Wenn ich dreißig Bilder wegschmeißen muss, um ein gutes zu haben, finden ich das okay. Das ist besser, als dreißig Bilder übereinanderzumalen, wie in den Achtzigerjahren.

Die Präsentation Ihrer neuen Bilder wirkt erlesen. Sie haben die Galeriewände in Samtrot und Veroneser Grün gestrichen, die Bilder hängen in schweren Goldrahmen und sind mit Kordeln geschützt. Ist das eine ironische Selbstmusealisierung?

Ich mache mich über garnichts lustig, die Präsentation hat etwas mit den Bildern zu tun. So werden Bilder seit Jahrhunderten gezeigt. Die Ausstellung beschäftigt sich mit klassischen Themen der Malerei, es gibt zu jedem Bild, das hier hängt, Referenzbilder. Nehmen Sie das „Abendmahl“, da gibt es unzählige Vorbilder.

Ihr Bild heißt aber zweideutig „last supper – die letzte Suppe“. Es zeigt eine Gruppe von Jugendlichen bei einer gemeinsamen Mahlzeit, die an den berüchtigten Eintopf im Jugendlager erinnert.

Die Leute denken immer, wenn man darüber lachen kann, ist es nicht mehr ernst zu nehmen. Das ist ein Trugschluss, den es so nur in Deutschland gibt. Aber das Bild ist genau wie die anderen aus einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Vorbildern entstanden. Ich zeige einfach, was ich mache: Ich beschäftige mich mit Malerei. Das ist eine Verneigung gegenüber meinen Vorläufern und ein Fingerzeig: Wenn das Museum nicht zu mir kommt, gehe ich eben zum Museum.

Einige Vorbilder sind unverkennbar: Ihre „Alexanderschlacht“ antwortet auf Albrecht Altdorfer.

Seine „Alexanderschlacht“ ist eine Ikone der deutschen Malerei, hängt in der Alten Pinakothek München. Die Schlacht spielt im babylonischen Reich, Altdorfer hat dabei aber zu viel Grün benutzt. Das ist Quatsch, dank CNN haben wir das ja jetzt sehen können, dass es in dieser Gegend viel mehr Sand als hohe Berge und grüne Landschaften gibt. Deshalb habe ich Altdorfer korrigiert, auf meinem Bild kämpfen Jungs in einer Dünenlandschaft. Meine „Höllenfahrt“ geht hingegen auf einen SuperRubens zurück, ebenfalls aus der Alten Pinakothek, der aber noch viel größer ist. Da hätten wir hier in der Galerie die Decke aufreißen müssen. Rubens benutzt zu viel Blau, das ist auch nicht gut. In der Hölle brennt und brodelt es aber, da muss Rot rein.

Haben Sie die Vorbilder noch mal eigens vor Ort studiert?

Nein, die habe ich im Kopf.

Bei der Eröffnung spielte eine Blaskapelle Volksmusik. Haben Sie einen Lieblingsmarsch?

„Rosamunde“ war toll, aber das ist kein Marsch. Ich muss auch gestehen, dass ich in meiner Freizeit eigentlich keine Blasmusik höre.

Die Blasmusik könnte Ihnen den Vorwurf einhandeln, ein Preußenfan und verkappter Pickelhaubenträger zu sein.

Wo ist das Problem? Wir leben in Preußen.

Preußenfans verströmen mitunter eine ziemlich muffige Aura.

Ach, eine muffige Aura kann auch ein Bioladen verströmen. Die Frage von Muffigkeit ist von der Perspektive abhängig. Es gibt Leute, die glauben, den Fortschritt gepachtet zu haben und verteidigen ihre Ansichten in einem sehr muffigen Ton.

Der Vorwurf, ein rückwärtsgewandter Preußen-Fanatiker zu sein, wäre jedenfalls neu. Bislang mussten Sie sich gegen andere Kritik verteidigen: Dass Sie sich mit Ihrer Malerei in den Arsenalen von NS-Staatskunst und Realsozialismus bedienen.

Die Nazivorwürfe sind so lächerlich, dazu habe ich alles gesagt, was es zu sagen gibt. Lesen Sie es nach, schreiben Sie es ab. Vielleicht liegt es auch daran, dass man die Nazikunst nie zu sehen kriegt, die ist weggeschlossen in Magazinen. Nehmen sie ein x-beliebiges Scheißbild von denen und hängen es neben ein Bild von mir. Sie werden sofort den Unterschied sehen und erkennen, dass es nichts miteinander zu tun hat.

Ihre Bilder zeigen gut gebaute, braungebrannte junge Männer bei Freizeitsport und paramilitärischer Ausbildung, wie man es von der Hitlerjugend oder von Spartakiaden kennt.

Gehen Sie mal in ein Fitnessstudio, das hat nichts mit Nazis zu tun.

Aber was fasziniert Sie so an dieser Welt?

Wir werden mit einem Bild von Jugend bombardiert, und jeder, der davon abweicht, muss sich zuhause vor dem Spiegel ernsthafte Fragen stellen. Das ist eine Sache, die ich gerne thematisiere: Dass normative Gedanken auftauchen, die den Körper betreffen und übermächtig werden. Vor ein paar Jahren gab es noch nicht so viele Fitnessstudios, inzwischen ist die Stadt überschwemmt davon. Es gibt zwar sehr viele Leute, die glauben, total individualistisch zu sein, aber meistens tragen sie dieselben Klamotten und reden auch ungefähr dasselbe. Jetzt wird auch noch ihr Körper wie ein Maßanzug behandelt, und sie müssen aufpassen, dass sie die richtigen Muskeln ungefähr an den richtigen Stellen haben. Das ist idiotisch und sehr bedrohlich.

Sie entlarven durch Übertreibung?

Übertreibung ist die einzige Möglichkeit, sich überhaupt zur Wehr zu setzen. Wenn Sie einen Vorwurf kriegen, ist es immer gut, dieses Klischee erst Recht zu bedienen. Sie können sagen: Nee, das stimmt nicht, aber das wird Ihnen niemand glauben. Wenn Sie aber sagen: Jaja, genau, Du hast Recht, dann bleibt die Hoffnung, dass sich eines Tages zeigen wird, wie klischeebeladen bestimmte Vorwürfe sind. Das kann man auch an anderen Beispielen sehen. Die Aborigines in Australien leben längst in der Hightechwelt, spielen aber mit sehr viel Humor mit den Klischees, die von außen an sie herangetragen werden.

Manchmal gehen Sie bei Ihrem Spiel mit Klischees sehr weit. Ein Bild zeigt einen Jungen, der den Arm zum Hitlergruß hebt. Auf einem anderen Bild ist eine Jungengruppe von hinten zu sehen, Titel: „Alle wollen den Führer sehen“.

Ich habe erst überlegt, ob ich das Bild „Was Friseure können, können nur Friseure“ nenne. Dann würde man viel mehr auf die Hinterköpfe achten. Es ist so einfach, die Leute mit einem bestimmten Titel in eine Richtung zu schicken.

An Ihren Bildern fällt auf, dass Sie die Farbe Schwarz meiden und nie mit Umrisslinien arbeiten. Ist das eine Kritik am Spätexpressionismus Ihres Lehrers Georg Baseleitz?

Ich würde nie Georg Baselitz kritisieren, dafür habe ich viel zu viel von ihm gelernt. Aber ich muss andere Wege gehen und konnte auch deshalb so viel von ihm lernen, weil ich die Dinge ganz anders sehe. Natürlich verändert sich Malerei, das ist auch eine Frage der Generation. Es wäre ja scheußlich, wenn das alles immer dieselbe Soße wäre. Mir geht es aber nicht darum, expressive Gesten zu entwickeln. Mir geht es um den Gesamteindruck des Bildes, darum, eine möglichst glatte Oberfläche herzustellen, Leichtigkeit sichtbar zu machen. Ich finde es besser, wenn die Sachen nach Spiel aussehen als nach Kampf.

Was haben Sie gelernt von Baselitz?

Komisch zu denken. Sich selbst zu vertrauen und die Dinge nicht so zu machen, wie sie von der Umwelt vorgegeben werden.

Malen Sie eigentlich nach Vorlagen, Fotos zum Beispiel?

Ich habe ein Modell, mit dem ich seit zehn Jahren arbeite. Den kenne ich mittlerweile sehr gut, da existieren Zeichnungen und Fotos, auf die ich zurückgreifen kann. Witzigerweise gibt es in dem Zusammenhang zwei Vorwürfe. Der eine Vorwurf: Die Figuren auf meinen Bildern seien immer dieselben. Nun, das ist eben so. Der andere Vorwurf lautet: Die Figuren würden immer älter. Aber genau so ist doch das Leben.

Ursprünglich haben Sie sich für abstrakte Malerei begeistert. Realismus, heißt es, hätten Sie gehasst.

Das tue ich immer noch.

Warum?

Ich weiß nicht, was daran gut sein soll, eine Parkuhr detailgetreu wiederzugeben. Dafür gibt es die Fotografie. Eine Kamera können Sie immer nur irgendwo draufhalten und damit wiedergeben, was schon da ist. Sie werden zum Realismus gezwungen. Es gibt ganz tolle Fotografen, ich möchte das nicht in Abrede stellen. Aber Malerei bietet viel mehr Möglichkeiten. Sie können Sachen malen, die es nicht gibt, eine Höllenfahrt oder den Himmel, das finde ich spannender.

Trotzdem malen Sie nicht abstrakt, sondern abbildend.

Ich male aber nicht realistisch. Diese Dinger sehen eher so aus wie Abziehbildchen. Realismus ist fürchterlich, wenn dahinter die Vorstellung steht, ich gebe die Welt so wieder, wie sie ist. Mit vielen schlechten Bildern dieser Machart bin ich in meiner Kindheit aufgewachsen.

Wie könnte es weitergehen mit Ihrer Kunst?

Ich weiß nicht. Vielleicht haben Sie eine Idee: Wie würden Sie denn jetzt weitermachen?

Das Gespräch führte Christian Schröder.

Die Ausstellung „Schlachteplatte“ mit Bildern von Norbert Bisky ist bis zum 11. Juni in der Galerie Schultz (Mommsenstr. 34) zu sehen. Di-Fr 11-19, Sa 10-14 Uhr.

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