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Kultur: Rechte Gewalt: "Die suchen keine Gegner, sondern Opfer"

Was hätte ich denn tun können? Und woher hätte ich überhaupt wissen sollen, was da genau passiert?

Was hätte ich denn tun können? Und woher hätte ich überhaupt wissen sollen, was da genau passiert? Das sind die Fragen, die man häufig hört, wenn Zeugen eines rechtsextremistischen Übergriffs hinterher gefragt werden, wieso sie denn nichts unternommen haben. "Jeder denkt: Ich kann doch da nicht einschreiten - aber das stimmt nicht", sagt der Pädagoge Stefan Böhm, der zusammen mit der Berliner Polizei Seminare und Rollenspiele anbietet, in denen die Teilnehmer lernen, was sie unternehmen können, wenn sie Zeuge einer Gewalttat werden. "Viele Menschen schauen weg, weil sie Angst haben, selbst in die Auseinandersetzung hineingezogen zu werden", sagt Böhm. "Das Problem ist, dass man sich immer am Täter orientiert." Jemand, der eigentlich helfen möchte, denkt oft, er wäre auf sich alleine gestellt. Oder er müsse sich direkt in den Konflikt einmischen. Dem widerspricht der Verhaltenstrainer. "Niemand muss in so einem Fall das Opfer auf eigene Faust rausboxen." Denn erstens sei man in der Regel nicht alleine. Und zweitens könne man auch helfen, ohne direkt einzuschreiten.

Böhm rät, als Erstes andere Zeugen des Vorfalls anzusprechen. "Aber es reicht nicht, nur zu rufen: Helfen Sie mir mal!" Stattdessen sollte man den anderen Umstehenden klare Aufgaben zuteilen: "Einer soll den Bademeister holen, der andere die Polizei rufen, ein weiterer kommt mit zu den Jugendlichen, um zu klären, was dort genau los ist, und um dem Opfer zu zeigen, dass es nicht alleine ist." Dann merke der Täter, dass er entdeckt worden ist - oft reiche das schon aus, damit er von seinem Opfer ablässt. So wie im Fall einer Frau, die bei einem Übergriff von Skinheads auf Ausländer in einer U-Bahn die Notbremse gezogen habe - woraufhin die Täter die Attacke sofort beendet hätten.

In den meisten Fällen ist es für die Beobachter einer Gewalttat auf den ersten Blick allerdings unklar, was genau vor sich geht ist, wenn jemand schreit. "Man hat Angst, etwas zu unternehmen und dann zu erfahren, dass man sich getäuscht hat", sagt Böhm. Deswegen warte man ab oder verhalte sich so, als hätte man nichts mitbekommen. "Dabei ist es ganz einfach, aufzustehen und zu schauen, was da genau los ist." Falls man sich getäuscht hat und es sich statt einer Gewalttat in Wirklichkeit nur um eine Rangelei gehandelt hat, "dann werden die Beteiligten auch durch die Nachfrage eines Außenstehenden nicht zu Gewalttätern". Und wenn es sich wirklich um eine Gewalttat handelt, dann sei die Gefahr gering, dass die Täter sich plötzlich in aller Öffentlichkeit auf den fragenden Unbeteiligten stürzen: "Solche Leute suchen in der Regel keine Gegner, sondern Opfer."

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