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Miet Warlops "Mystery Magnet" ist ein kunterbunter Trip durch absurde Welten.

© Berliner Festspiele

Stückemarkt beim Theatertreffen: Party in der Geisterbahn

Beim Theatertreffen laden drei Theatermacher den Nachwuchs zum reformierten Stückemarkt. Was dort ausgebreitet wird ist bunt - und banal.

Das Institut für Methode will es genau wissen: „Haben Sie intaktes Gedankengut? Wissen Sie um den Status Ihres Spermiogramms?“ Nur wer diese Fragen abarbeitet, erhält den Zugangscode und die Wegbeschreibung. Und darf für eine halbe Stunde ins „Haus Nummer Null“. Das liegt an einem geheimen Ort, ist aber – so viel kann verraten werden – mit der U-Bahn gut zu erreichen. Über den verwitterten Hof geht es in ein Bungalowgebäude, wo sich der Besucher einem Bodyscan unterziehen muss. In den ziemlich klinischen Räumen erfährt man über Bildschirme und Lautsprecher, in welch finsterer Zeit man gelandet ist. Ein Krieg hat getobt! Seitdem herrscht jenes ominöse Institut für Methode und tyrannisiert seine Bürger mit einem Glücks-Regime à la „Schöne neue Welt“. Widerstand wagt allein eine Rebellengruppe namens „Das Rhizomat“, der man sich doch bitte anschließen soll. Puh, ganz schön anstrengend.

Früher fand der Stückemarkt des Theatertreffens meist in der Kassenhalle oder dem Foyer des Hauses der Berliner Festspiele statt, wo neue Texte in szenischen Lesungen vorgetragen wurden. Diesmal ist alles anders. Das Konzept des Stückemarkts wurde gründlich umgekrempelt. Statt einer Jury, die den Dramen-Output durchforstet, laden nun mit Signa Köstler, Katie Mitchell und Simon Stephens drei durchgesetzte Theatermacher je eine Nachwuchskraft mit ihrer Arbeit ein. Klar wird auf diesem Wege nicht das schreibende Talent des Jahres entdeckt. Aber dafür gibt es in Heidelberg, Mühlheim, bei den Autorentheatertagen schon genügend Förderforen. Die Erkenntnis, dass nicht sehr viele gute Texte geschrieben und die Märkte mit viel Murks bestückt werden, ist jedenfalls begrüßenswert.

Das Problem ist die Auswahl

Das Problem ist eher die Auswahl. Nicht, weil eine Performance und eine Installation dabei sind und deswegen der viel umraunte Begriff von Autorschaft entsprechend großzügig ausgelegt werden muss. Das ist ja längst Standard, wie kürzlich wieder beim Festival Internationale Neue Dramatik der Schaubühne zu beobachten war. Nein, was der nominierte Nachwuchs auf dem Stückemarkt ausbreiten darf, ist durchweg ziemlich banal.

Die dänische Performance-Patronin Signa Köstler hat mit Mona el Gammal eine Künstlerin gewählt, die das Gleiche macht, wie sie selbst: prätentiös aufgeblasene Erlebnis-Parcours errichten. Dass Gammal zuletzt die Bühne für Köstlers Arbeit „Schwarze Augen, Maria“ gebaut hat, macht die Sache nicht besser. Ist das der neue Stil: Künstler laden Kumpels ein? Zumal die beschriebene Installation „Haus//Nummer/Null“ (noch 16.–18.5., tgl. 13–1 Uhr) den Unterhaltungs- und Erkenntniswert einer Geisterbahnfahrt bietet.

Der Dramatiker Simon Stephens aus Manchester hat sich für den Dramatiker Chris Thorpe aus Manchester entschieden. Dessen Stück „There Has Possibly Been An Incident“ wird in der Inszenierung von Sam Pritchard gezeigt. Zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler (Thorpe selbst) erzählen größtenteils aneinander vorbei Geschichten von Extremsituationen wie einem Diktatorensturz oder Flugzeugcrash. Das fügt sich weder zu einem sinnvollen Ganzen, noch „entzieht es dem Zuschauer jegliche Distanz und macht ihn automatisch zum Mittäter“ wie das Programmheft tönt.

Alles spritzt, schäumt und explodiert

In Miet Warlops „Mystery Magnet“ wird dagegen erst gar kein tieferer Sinn behauptet. Die von Katie Mitchell auserkorene Belgierin entfesselt einen kunterbunten Trip, der von skurrilen Bildern lebt. Ein Fettwanst bleibt in der Wand stecken. Ein nackter Hintern wird mit Pferdeschwanz bestückt. Performerinnen unter Riesenperücken staksen herum. Dazu spritzt, schäumt und explodiert allerlei – bis die Bühne aussieht, als hätte ein Teenie den Termin seiner Geburtstagsparty bei Facebook gepostet. Immerhin räumen die Künstler danach selber auf. Jetzt muss bloß noch der Stückemarkt neuerlich überholt werden.

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