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Kultur: Regime-Wechsel

Saddams Kopf prangt auf allen Dinar-Scheinen. Und während Sumer, die irakische Raucher-Währung, ihre Aura dem Ur-Land Mesopotamien, einer Wiege der Menschheit, entleiht, schickte die Camel-Zigarette von jeher die starken Männer des Westens in die Wüste.

Saddams Kopf prangt auf allen Dinar-Scheinen. Und während Sumer, die irakische Raucher-Währung, ihre Aura dem Ur-Land Mesopotamien, einer Wiege der Menschheit, entleiht, schickte die Camel-Zigarette von jeher die starken Männer des Westens in die Wüste. (Foto: Kitty Kleist-Heinrich)

Dieser Krieg, in dem die realen Schrecken durch den Propaganda-Qualm nur erahnbar sind, setzt mythologische Bildwelten frei. Symbole überall in Bagdad. Ein Mosaik mit dem Konterfei von George Bush sen. ziert den Boden am Eingang zum Al-Rashid-Hotel: der Feind als Fußabtreter. Vom Dach des Al-Rashid (benannt nach dem legendären Sultan und Erbauer Bagdads) kommentierte im ersten Golfkrieg CNN-Veteran Peter Arnett die Bombeneinschläge downtown. Diesmal sitzen, auf die Präzision der amerikanischen Lenkwaffen vertrauend, die internationalen Kriegsberichterstatter im Palestine: Der Name des Hotels liefert einen Hintergrund dieses Kriegs – den schier ewigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Auch Ground Zero wurde nach den Anschlägen des 11. September zu einem heiligen Stück Land. Und nun, da die amerikanischen Truppen in der irakischen Hauptstadt stehen, wird manifest, was die Administration von Bush jun. in Bagdad sucht – und schneller zu finden scheint als die vermuteten Massenvernichtungswaffen. GI-Stoßtrupps haben Saddams Paläste besetzt und den stalinistisch-pompösen Park, in dem die Diktatur ihre Paraden abzuhalten pflegte. Ikonografisch erinnert die Zerstörung monumentaler Saddam-Statuen an den Umsturz im Ostblock, der dem ersten Golfkrieg just vorausgegangen war. Welch eine Suggestionskraft entfalten die jüngsten Bilder aus dem gestürmten Zentrum Bagdads, der Stadt aus „1001 Nacht“! Sie haben nicht das Potenzial, den Anblick der in die Twin Towers stürzenden Flugzeuge zu lindern, und Osama bin Laden bleibt ungreifbar. Aber Amerika kämpft nicht allein für den Ölpreis und den Regimewechsel und „Iraqi freedom“, sondern um ein nachhaltiges kollektives Erlebnis seiner wiedergewonnenen Stärke. Ein Exempel. Das Imperium schlägt zurück.

Rüdiger Schaper

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