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Der tadschikische Regisseur Bakhtiar Khudojnazarow.

© Imago

Regisseur Bakhtiar Khudojnazarow gestorben: Eine zarte Farbe weniger

Sein filmisches Universum war so überbordend wie das von Fellini und so verspielt wie das von Michel Gondry. Dafür liebte das Publikum den Tadschiken und Wahlberliner Bakhtiar Khudojnazarow. Jetzt ist der Regisseur mit 49 Jahren gestorben.

Manche nannten ihn den Unaussprechlichen, dabei klingt der Name, einmal eingesungen, wunderbar. Nur existiert er in so vielen Schreibweisen, dass er einem im aktuellen Weltgedächtnis Internet in immer neuen Varianten entgegenschimmert. Einigen wir uns mit uns selbst, für heute wie für immer, auf Bakhtiar Khudojnazarow.

So hat der Tagesspiegel ihn auch schon vor 21 Jahren geschrieben, anlässlich einer sommerlichen Begegnung im Garten des Café Einstein. Damals war der freundlich schwarzäugige Filmregisseur aus Tadschikistan gerade mal 29 Jahre jung und seit dem Vorjahr ziemlich weltberühmt. Bei den Filmfestspielen von Venedig hatte er mit „Kosh ba Kosh“, einer in der tadschikischen Hauptstadt und seiner Geburtsstadt Duschanbe gedrehten, zauberhaften und überwiegend in einer uralten Seilbahn spielenden Liebesgeschichte, den Silbernen Löwen gewonnen.

Das Berliner Publikum hatte Khudojnazarow ins Herz geschlossen

Khudojnazarow, dessen filmisches Universum so fantastisch überbordend wie das von Fellini war und mindestens so verspielt wie das von Michel Gondry und viel zarter als das von Kusturica, lebte damals bereits seit zwei Jahren in seiner frischen Wahlheimat Berlin. Daran wiederum hatten auch die legendären Begründer und Macher des Berlinale-Forums, Ulrich und Erika Gregor, ihren Anteil, die 1992 sein wunderbares Schwarzweiß-Debüt „Bratan“ ins Programm genommen hatten – das Rail-Movie über einen Jungen, der den kleinen Bruder zum geschiedenen Vater abschieben will und ihn, als er dessen scheußliches Zuhause sieht, doch lieber wieder unter die eigenen nicht eben großen Fittiche nimmt. Seitdem hatte ein bestimmtes filmtraumaufgeschlossenes Publikum Khudojnazarow ins Herz geschlossen – wohin sonst?

"Luna Papa" mit Moritz Bleibtreu begeisterte

Acht Jahre später war dieses Publikum, für den Film „Luna Papa“, auf einmal ganz groß: Sensationelle 165 000 Zuschauer begeisterten sich für das fabulöse Abenteuer um eine junge Schwangere, die sich – noch ein Streunerfilm – mit Bruder und Vater auf die Suche nach dem Kindsvater macht, mit den irrsten Fortbewegungsmitteln mitten in den mythisch summenden, sehr zentralasiatischen Welten namens Samarkand oder Taschkent.

Mag sein, dass die Zuschauer damals wegen dem gerade sehr angesagten Moritz Bleibtreu ins Kino drängten und sich dann in Chulpan Khamatova verliebten, sowas kommt vor. Eigentlich verdanken aber taten sie den Film dem kunstwagnisverrückten, unvergessenen Produzenten Karl „Baumi“ Baumgartner, der stets die wildesten Bild- und Geschichtenerfinder auf seine Arche namens Pandora Film einlud, ohne Rücksicht auf – finanzielle – Verluste.

Khudojnazarow starb mit nur 49 Jahren in Berlin

Dass Bakhtiar Khudojnazarow später ein ähnlicher Erfolg nicht mehr so recht beschieden war, zuletzt auch nicht mit „Waiting for the Sea“, seinem Öko-Märchen rund um den austrocknenden Aralsee: bloß eine Fußnote jetzt der größeren Erinnerung.

Am Dienstag, einem schönen Frühlingstag, ist Khudojnazarow in Berlin, längst seine zweite Heimat, nach langer Krankheit gestorben, nur 49 Jahre alt. Man schaut herum in den Blüten und im Himmel, und eine Farbe fehlt, eine zarte.

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