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Nate Parker

© AFP

Regisseur Nate Parker und sein Sex-Prozess: Oscars so fern

Nate Parker konnte sich für seinen Film "The Birth of a Nation" Oscarhoffnungen machen. Doch jetzt holt ihn eine lange überwunden geglaubte Affäre aus der Vergangenheit ein.

Auf dem pathetischen Titel scheint keinerlei Segen zu liegen. D. W. Griffiths einstiger Stummfilm-Hit über den Amerikanischen Bürgerkrieg, „The Birth of a Nation“ von 1915, gilt zwar als technische Pionierleistung, geriet aber wegen seines rassistischen Blicks auf die schwarzen Sklaven in Verruf. Ein Jahrhundert später, im vergangenen Januar, machte zwar der gleichnamige Film über einen Sklavenaufstand von 1831 auf dem Festival von Sundance Furore, sein Regisseur Nate Parker aber wird unterdessen in den US-Medien vor allem mit einem lange zurückliegenden Vergewaltigungsprozess in Verbindung gebracht. Schon möglich, dass der Verleih Fox Searchlight, der den Film zum Sundance-Rekordpreis von 17,5 Millionen Dollar gekauft hatte, seine Oscar-Hoffnungen nun vorfristig zu Grabe tragen muss.

Dabei hatte alles so schön angefangen. Der 36-jährige Parker, in seiner Jugend ein erfolgreicher Wrestler und als Schauspieler bislang in eher mittleren Filmen aufgefallen, hatte als Regisseur und Hauptdarsteller sein Independent-Projekt bravourös gestemmt – mit dem Großen Preis der Jury und dem Publikumspreis in Sundance. Sein Film schilderte, durchaus drastisch und in ironischer Brechung des Griffith-Titels, die Revolte von 70 Sklaven in Virginia, die binnen 36 Stunden 55 Weiße auf Südstaaten-Plantagen umbrachten, bevor der Aufstand niedergeschlagen wurde; der Anführer Nat Turner wurde wenig später hingerichtet. Ein Stoff, wie gemacht für die neue Sensibilität der Academy nach der „OscarsSoWhite“-Kampagne, und Fox Searchlight griff zu.

Nun scheint den jungen Historienfilmer die eigene Vergangenheit einzuholen. Vor 17 Jahren, er war damals 19, wurde er – zusammen mit seinem Mitstudenten Jean McGianni Celestin, der jetzt am Drehbuch für „The Birth of a Nation“ mitgearbeitet hat – wegen Vergewaltigung einer 18-jährigen Kommilitonin an der Penn State University angeklagt. Die junge Frau hatte ausgesagt, sie sei damals betrunken und ohnmächtig gewesen. Parker wurde freigesprochen, auch vor dem Hintergrund, dass er, so berichtet das Filmbranchenblatt „Variety“, am Tag zuvor einvernehmlich Sex mit der jungen Frau gehabt hatte. Celestin hatte erst im Berufungsverfahren Erfolg; die Studentin hatte sich dem Prozedere als Zeugin nicht noch einmal aussetzen wollen.

2012 nahm sich die ehemalige Kommilitonin das Leben

Mochte schon die in Online-Foren und via Twitter entflammte Debatte über die damaligen Tatumstände der Karriere des Films empfindlich geschadet haben, so geriet Parker, heute Vater von fünf Töchtern, zuletzt in derartige zusätzliche Bedrängnis, dass er sich gegenüber der Zeitschrift „Ebony“ ausdrücklich von seiner damaligen „toxic masculinity“ distanzierte. Denn vergangene Woche war bekannt geworden, dass sich die einstige Kommilitonin 2012 das Leben genommen hatte – davon habe er nichts gewusst, gab der spürbar erschütterte Filmemacher zu Protokoll. Von seiner Egozentrik und dem übersteigerten Machotum jener Jahre sei er weit entfernt: „Ich bin nicht mehr der Typ, der ich mit 19 war.“

Freispruch damals hin oder her: Inzwischen ist fraglich, welche Chance der Film, der Anfang Oktober in den USA starten soll, auch angesichts neuer Boykottdrohungen überhaupt noch hat. Eine Wiederholung des Oscar-Erfolgs, wie ihn Steve McQueen vor drei Jahren mit „12 Years a Slave“ vorgemacht hatte, erscheint ausgeschlossen. Laut „Variety“ wurde am Wochenende eine Vorführung von Parkers Film beim American Film Institute in Los Angeles samt anschließender Diskussion abgesagt. Auch zur Vorführung beim bevorstehenden Festival von Toronto gibt es keine Pressekonferenz. Der Verleih beeilte sich allerdings umgehend um Klarstellung: Derlei Pressekonferenzen veranstalte man nur anlässlich von Weltpremieren. Und die fand, schön waren die Zeiten, bekanntlich in Sundance statt.

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