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Stern auf dem Weihnachtsmarkt in Augsburg.

© dpa

Reihe "Mein Stern": Sternschnuppen (5): Zisch und weg

Sternschnuppen sind vergänglich, wie wir.

Wenn auf Erden etwas Außergewöhnliches geschieht, greift der Mensch zu den Sternen. Himmelt sie an, die Stars der Stunde, bestirnt Köche, Weine, Hotels. Leuchte uns heim in dunkler Nacht: eine kleine Sternenkunde zwischen den Jahren, täglich an dieser Stelle.

Sind Zeitreisen möglich? Wie funktionieren Schwarze Löcher? Altert man im All so viel langsamer, dass man an der Unsterblichkeit kratzen könnte? Es gibt viele Fragen, die den Kinobesucher nach dem „Interstellar“-Film beschäftigen. Alle zweitrangig. Denn Christopher Nolans Science-Fiction-Opus vermittelt ein mulmiges Grundgefühl: Wir erscheinen kurz auf der Bildfläche, blitzen auf, ziehen unsere Bahn, das war’s. Als Individuum ist das schwer zu ertragen, zisch und weg. Aber „Interstellar“ zielt auf die ganze Spezies Menschheit. Wenn wir nicht aufpassen, verschwinden wir vom Planeten. Und 200 000 Jahre Homo sapiens waren dann genau das, was sie im kosmischen Maßstab auch sind: ein Furz. Freundlicher ausgedrückt: Wir sind Sternschnuppen.

Meteore, Meteoriten, verwischende Leuchtkörper am Abendhimmel öffnen das Herz. Es heißt, man könne sich etwas wünschen, wenn eine Sternschnuppe fällt. Schnell muss man sein. Und schweigen. Sternschnuppen sind wie Glühwürmchen, die hoch fliegen. Zeichen der Vergänglichkeit und ein Geschenk der höheren Sphären. Bob Dylan singt:

Seen a shooting star tonight

And I thought of you

You were trying to break into another

world

A world I never knew

Die Ballade stammt vom „Oh Mercy“- Album. Ein trauriger, klarer Song: Beziehung erloschen, man ist einander fremd geblieben, so viele Missverständnisse, Ungesagtes, Reue, Trauer, Schmerz. Aber auch leise Dankbarkeit, davon handeln die Strophen des „Shooting star“, der Sternschnuppe. Im deutschen Alltagsgebrauch des Englischen sind das aber zwei verschiedene Dinge. Shooting star meint keine Sternschnuppe, die vorüberzieht und verglüht, sondern einen (jungen) Künstler, der aus dem Nichts kommt und plötzlich Erfolg hat. Leider keine sehr optimistische Apostrophierung, weil der Shooting Star eigentlich gleich wieder verschwunden sein müsste, von kurzer Verweildauer. Versprechen, Sekundentraum. Hochgeschossen, um abzustürzen. Wie Ikarus.

Seen a shooting star tonight

Slip away

Tomorrow will be

Another day

Du bist mir nicht schnuppe. Ich ertrage nicht, dass du gegangen bist – und wie du gegangen bist. Um das zu sagen, holt der Sänger die Sterne vom Himmel. Ach was, sie fallen ihm entgegen. Und er liest sie auf. Wer in den Sternen lesen kann, sieht die Zukunft. Das Helle. Das Licht aus Welten, die lange untergegangen sind. Der „Interstellar“-Astronaut empfängt in seinem Raumschiff Botschaften von seiner Tochter, die schon eine erwachsene Frau ist, während er kein einziges Jahr zugelegt hat. Und dann finden sie doch noch die Weltformel, die einzige Kraft, die überdauert und nicht schwächer wird, die alles objektiviert: die Liebe.

Bisher erschienen: Zimstern (24.12), Gourmet-Sterne (27.12.), Rote Sterne (28.12.), Sonne (29.12.)

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