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Kultur: Reise nach innen

Seit zehn Jahren pendelt der japanische Komponist Toshio Hosokawa zwischen Japan und Deutschland, Hiroshima und Mainz, hin und her.Ein Pendeln, das auch etwas Paradoxes besitzt: Japan, das ist das Land, aus dessen Kultur Hosokawa erklärtermaßen die Inspirationen und Energien für seine Kompositionen gewinnt, Deutschland und der europäische Raum aber sind der Ort, wo man seine Musik am häufigsten aufführt.

Seit zehn Jahren pendelt der japanische Komponist Toshio Hosokawa zwischen Japan und Deutschland, Hiroshima und Mainz, hin und her.Ein Pendeln, das auch etwas Paradoxes besitzt: Japan, das ist das Land, aus dessen Kultur Hosokawa erklärtermaßen die Inspirationen und Energien für seine Kompositionen gewinnt, Deutschland und der europäische Raum aber sind der Ort, wo man seine Musik am häufigsten aufführt.Auf den wichtigen Festivals für Neue Musik ist er schon seit längerem bekannt, und in Berlin bildete seine Musik einen der Schwerpunkte beim "Ultraschall"-Festival im Februar.Was damals in der Reaktion des Publikums zu beobachten war, schien sich jetzt bei dem Hosokawa gewidmeten Konzert der Reihe "Woher-Wohin? Komponieren heute" in der Begeisterung der Zuhörer zu bestätigen - das ist Musik, die nicht nur die Insider, sondern auch ein größeres Publikum unmittelbar und emotional anspricht.Mit New Age oder banalem Ethno-Crossover hat die Musik indessen nichts zu tun.Bei aller Stilisierung, dem meditativen Fluß der atmenden Phrasierungen und leicht geschwungenen Linien sowie der betörend imaginativen Klangsinnlichkeit, die den Zuhörer sofort bestrickend umfangen, erfährt man doch auch Widersprüche, zeigen sich Ecken und Kanten, in denen sich Subjektivität in einer hochreflektierten Musiksprache artikuliert.

Solche Widersprüche werden erst recht deutlich, wenn man die Möglichkeit hat, verschiedene Stücke Hosokawas nebeneinander zu hören.So spielte das von Hans Zender geleitete Ensemble UnitedBerlin mit der Violinsolistin Asako Urushihara im kleinen Saal des Konzerthauses "Voyage I", komponiert 1997, eine etwa 17minütige Komposition, die mit ihrem wundersam geräuschhaften Anfangsklang wie von außen in den Innenraum hineinschwebt und in periodischen Wellenbewegungen von äußerst raffinierter Vielschichtigkeit einen Prozeß zwischen Solistin und Ensemble entwickelt, den auch herausfahrende Gesten und dunkle Katastrophenklänge einfärben, der aber von der Kontinuität eines ruhig dahinströmenden Klangflusses getragen wird.Scheinbar ganz anders dagegen die "Vertical Time Study III" für Violine und Klavier, eine Musik, deren unterschiedliche Dichten und Oberflächen man fast körperlich mitzuempfinden meint und deren Kontinuität erst über die von Pausen und harten Attacken zerklüfteten Einzelklänge hinweg in der Wahrnehmung realisiert wird.Eva Turek und Adrian Pawlow, beide Studenten der Eisler-Musikhochschule, spielten diese unter Mitwirkung des Komponisten einstudierte Komposition am Morgen nach dem Konzert, als Einleitung zu einem Vortrag, den Hosokawa "Reise nach Innen" betitelt hatte.

Hosokawa sieht sich selber nicht als "japanischen" Komponisten, sondern als einen Komponisten, dessen Musik nach universaler Verständigung strebt."Natur und Mensch", das ist das große Thema, das Hosokawa in seinem Komponieren bewegt; eine körperhafte Erfahrung von Klang in der Periodizität des Atmens, die Wahrnehmung durch die Haut, der Klang als "Landschaft", wie er sagt: das versucht er aus der Erfahrung mit traditioneller japanischer Musik in sein Komponieren zu übersetzen.Und man möchte bald wieder mehr davon im Konzert hören.

MARTIN WILKENING

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