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Kultur: "rewindmetabolismus" in der Galerie ffwd: Eine Ausstellung zeigt die Architektur-Visionen der japanischen "Metabolisten"

Man gibt sich bescheiden in der ffwd-Galerie. Durch die Glaswand sieht der Besucher der neuen Ausstellung zunächst nichts als einen weißen Pfeiler aus zusammengeschraubten Modularplatten.

Man gibt sich bescheiden in der ffwd-Galerie. Durch die Glaswand sieht der Besucher der neuen Ausstellung zunächst nichts als einen weißen Pfeiler aus zusammengeschraubten Modularplatten. Davon strecken sich auf unterschiedlicher Höhe zwei dicke Balken nach rechts und links aus, wobei einer durch einen Querträger mit der hinteren Wand verbunden ist. Zweifelsohne könnte man die Konstruktion für ein Stützelement des Raumes halten. Eine Inschrift auf den Platten besagt aber, dass es sich um "Metabolism" handelt. Nicht der Stoffwechsel im biologisch-medizinischen Sinne ist damit gemeint, sondern eine Gruppe japanischer Architekten und Designer, "in der jedes Mitglied zukünftige Entwürfe unserer Welt durch seine konkrete Entwürfe und Illustrationen vorschlägt". Bei der World Design Conference 1960 in Tokyo stellten Kiyonori Kikutake, Masato Ohtaka, Fumihiko Maki, Kenji Ekuan, Kisho Kurokawa und der Kritiker Noboru Kawazoe - die Kerngruppe der "Metabolisten" - ihre Ideen zum ersten Mal vor. Zu diesem Anlaß veröffentlichten sie eine "Metabolism" betitelte Broschüre. Da war der Rückgriff auf den Terminus aus dem Biologiehandbuch nicht von ungefähr.

Die Metabolisten betrachteten die menschliche Gesellschaft als einen "vitalen Prozess" und forderten, "Design und Technologie sollten eine Denotation der menschlichen Vitalität sein" - was auf eine Symbiose zwischen Wohnraum und Natur, auf pflanzlich gerundete, gen Himmel strebende Formen hinauslief, die der Moderne Hohn sprachen.

Einen Eindruck vermittelt die Ausstellung "rewindmetabolismus" in der ffwd-Galerie, die Architekturstudenten der HdK als Rückschau auf die beinahe vergessene japanische Architektengruppe ausrichten. Aus Skizzen und Entwürfen collagierten sie eine Stadtansicht, die eine futuristische Albtraumlandschaft beschreibt. Mit Schauder erblickt man Kisho Kurokawas "Helix City" - einen spiralförmigen Koloss, in dessen Voluten sich Straßen und Häuser emporschrauben. Wer könnte sich vorstellen, in Kiyonori Kikutakes massigem Turm mit Bullaugen zu wohnen? Oder sein Heim auf einer der geschlossenen Brücken zu errichten, welche die abstrusen Bauwerke miteinander verbinden?

Glücklicherweise sind die metabolistischen Visionen nie realisiert worden. Nur bei der Expo Osaka 1970 hatten sie ihren großen Auftritt. Kisho Kurokawa konnte seine Wohnkapsel präsentieren, deren Grundriss jetzt von den HdK-Studenten reproduziert wurde. Der Sinn der Sache liegt allerdings in einer kleinen, achteckigen Säule verborgen, die zwischen den Mulden herausragt. Ein Computer ist darin eingelassen, von dem man auf das Internet-Archiv des "Metabolismus" zurückgreifen kann - ein "work in progress" der HdK-Studenten.

Die Sammlung der Dokumente von und über die japanische Architekturbewegung ist denn auch der beste Teil des Projekts. Der Anspruch sich in die aktuelle Architektur-Diskussion aus einem nicht-eurozentrischen Standpunkt einzuklinken, kommt nämlich zu großmäulig daher. Im Netzarchiv findet man metabolistische Texte, in denen bergsonianisch von einer "Zeit des Mechanismus" und einer "Zeit des Lebens" die Rede ist, die Postmoderne trivialisiert und als japanische Erfindung kolportiert wird. Um die heikle Frage, ob zuerst das Ei oder das Huhn war, kommt man da mal wieder nicht herum.

Aureliana Sorrento

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