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Rezension: "Brain Thrust Mastery"

We Are Scientists machen verkrachten Powerpop. Pünktlich vor der dritten Platte ist der Drummer verschwunden - und der Schwung der Vorgängeralben mit ihm.

Sie waren die Spaßvögel ihres Jahrgangs. Zwar blieben We Are Scientists von den Bands des Gitarrenrock-Revivals 2005 ff. hinter den Erfolgen von Überfliegern wie Franz Ferdinand oder Kaiser Chiefs zurück. Im Gegensatz zu ihren britischen Kollegen kamen die drei New Yorker aber mit einem hintergründigen Witz daher, der die angestrengte Ernsthaftigkeit des Popstardaseins konterkarierte. Was sie über sich als Band-Historie verbreiteten, war erfunden, ihre vermeintliche Identität als Wissenschaftler kaschierte bloß, dass die Bürschchen so gar nicht wie Rockmusiker aussahen. Dafür beantworteten sie auf dem Ratgeber-Blog ihrer Website noch die abseitigsten Fragen mit liebevoller Hingabe.

Zu ihrem Humor passte, dass We Are Scientists sich als begnadete Interpreten des Musikvideos zeigten: Da gab es Clips, in denen die Band nichts anderes tut, als reglos im Sonnenlicht an einem Brunnen zu lehnen. Es gab die panische Flucht vor einem Verfolger im Bärenkostüm, Karaokeauftritte zwischen gespenstisch übellaunigen Hochzeitsgästen, virtuose Stummfilm-Reminiszenzen und ein tränentreibendes Business-Meeting, bei dem Mitarbeiter einer Werbeagentur versuchen, ihren spießigen Kunden einen We-Are-Scientists-Song zu verkaufen – was natürlich grandios scheitert.

Nun erscheint mit „Brain Thrust Mastery“ das dritte Album von We Are Scientists. Und schon die Bilder zur Musik verraten, dass sich Grundlegendes geändert hat. Im Video zur neuen Single „After Hours“ hat Sänger und Gitarrist Keith Murray zum romantischen Kerzenschein-Dinner für seinen schüchternen Mitbewohner (Bassist Chris Cain) ein Co-Date organisiert. Und es kommt: ein Hund, was zu etwas angestrengten Verwicklungen führt. Das Filmchen sticht zwar immer noch aus der Masse anspruchsloser Promoclips heraus, aber die spielerische Leichtigkeit früherer Tage ist dahin. Was ist passiert?

Zunächst einmal sind We Are Scientists nicht mehr komplett. Drummer Michael Tapper hat die Band im Herbst 2007 verlassen, und seine verbliebenen Kollegen wirken plötzlich seltsam verwaist. Das Trio sorgte offenbar nicht nur zwischenmenschlich für katalysierende Nähe, auch musikalisch scheint mit Tapper ein entscheidendes Korrektiv verloren gegangen zu sein. Die meisten der elf neuen Songs sind keineswegs schlecht, aber im Gegensatz zum bisherigen Œuvre nur mittelmäßig. Murray und Cain positionieren sich allzu gefällig im heiß umkämpften Marktsegment der Collegeradios. Auch würde es einen nicht wundern, ein Stück wie „Ghouls“ demnächst in TV-Serien wie „Grey‘s Anatomy“ oder „Scrubs“ wiederzuhören: aus einem Robert-Fripp-artig schleifenden Gitarrenintro schält sich ein repetitiver Chorus, auf den bollernde Bassläufe, wuchtige Trommelhiebe und sägende New-Wave-Gitarren geschichtet werden. Resultat: eine vollfette Sahnetorte, genau jene Sorte supereingängiger Power-Pop, für den sich anspruchsvolle Künstler nicht hergeben würden.

Man könnte sagen: Die Amerikaner We Are Scientists sind amerikanisch geworden. Die für das Vorgängeralbum „With Love and Squalor“ noch prägnante stilistische Nähe zu britischen Bands wie Art Brut oder Maxïmo Park ist nun getilgt. Leider ist damit auch das luftige Klangbild verloren gegangen. Gute Songs wie „Chick Lit“ oder „Tonight“ ächzen unter der uninspiriert aufgeblasenen Produktion. Vor allem die durchweg geprügelten Drums und die Sirenengitarren nerven. Zu richtig bombastischen Wave- Hymnen reicht es trotz aller Bemühungen allerdings auch nicht. So bleiben die weniger aufgepumpten Stücke wie das melodisch an R.E.M. erinnernde „After Hours“ oder „Let‘s See It“ mit seinem fluffigen „Ooh ooh ooh“-Singalong am angenehmsten in Erinnerung. Jörg Wunder

„Brain Thrust Mastery“ von We Are Scientists erscheint am Freitag bei Virgin.

Jörg W, er

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