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Kultur: Richie ratlos

Nein, das Großraumbüro stört ihn nicht. Die Hektik seiner Kollegen erträgt er ganz gefasst.

Nein, das Großraumbüro stört ihn nicht. Die Hektik seiner Kollegen erträgt er ganz gefasst. Richard Gere hat schon viele Berufe ausgeübt. Gigolo, Gynäkologe, Offizier und Gentleman. Nun ist er unter die Journalisten gekommen. Natürlich nicht als kleiner Zeilenschinder. Gere spielt John Klein, "Star-Reporter" der "Washington Post". Als Insignien dieses Jobs dienen ein Trenchcoat und ein Audi A 8. Doch Klein ist kein kaltschnäuziger Medienprofi. Zwar sondert er in Talk-Runden, die über irgendwelche Bildschirme flimmern, Nichtigkeiten zur amerikanischen Innenpolitik ab. Aber der Ruhm, sagt sein zerknautschtes Lächeln, interessiert ihn nicht. Er will nach Hause zu seiner Frau. Richard Gere, seit 20 Jahren beharrlich als Sex-Symbol gehandelt und mittlerweile durch buddhistische Erleuchtung allseits gereift, spielt hier einen Reporter der Herzen.

Wenn der Journalist in Die Mothman Prophezeihungen seine tiefbraunen Knopfaugen zu messerscharfen Schlitzen verengt, soll man dahinter einen ebenso geschliffenen Verstand vermuten. Wenn er sie weit aufreißt und "Oh mein Gott!" ruft, wissen wir: Er ist jetzt auch persönlich betroffen. Es dauert eine Weile, bis er Grund dazu hat. Dann schleicht sich das Grauen mit eisiger Hand in Kleins scheinbar perfektes Leben. Zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau findet er sich unter mysteriösen Umständen in einem Provinzkaff in West-Virginia wieder. Überall findet er Zeichen, die mit dem Ableben seiner Frau in Zusammenhang stehen.

Auch die locals haben merkwürdige Erscheinungen. Nicht gerade Luzifer persönlich tritt da auf, aber einer seiner zahlreichen Verwandten. "Mothman" heißt das Wesen. Der deutsche Verleih tat gut daran, diesen Namen nicht zu übersetzen. "Mottenmann" - das hätte bei Geres Stammzielgruppe keinen guten Klang. Mottenmann sitzt aber nicht in Muttis Kleiderschrank und frisst die Angora-Unterwäsche. Er stromert durch die amerikanische Provinz. Mottenmann sagt Dinge voraus. Aber er tut auch einigen Leuten weh. Man weiß nicht genau, ob er gut oder böse ist. Das muss knallhart recherchiert werden.

Regisseur Mark Pellington trat bislang mit dem U2-Konzertfilm "Achtung Baby" und dem zähen Agenten-Paranoia-Stück "Arlington Road" in Erscheinung. Hier darf er den solide mimenden Gere durch diverse Gänsehautszenen jagen, die unerklärlich bleiben wie in vielen Gruselfilmen neueren Zuschnitts. Weil unsere rationalistische Welt nicht mehr so gut auf Monster anspricht, bleibt die Ursache des Grauens gern mal ungeklärt, wirkt dafür aber umso eisiger - wie etwa bei "The Sixth Sense" mit Bruce Willis.

Noch besser funktioniert nur das in Amerika beliebte "based on a true story". Und so dockt die Geschichte am Einsturz der Silver Bridge in Pleasant Ville/Virginia im Jahre 1967 an. Das Datum, für Europäer nicht unbedingt geläufig, wird von Amerikanern heftig in Erinnerung gehalten, wie allein die zahlreichen Internet-Seiten zum Thema zeigen. Von denen ist es immer nur einen Klick weiter - und man landet bei realen "Mottenmann"-Berichten.

Doch die Mischung aus Verschwörungstheorie und Realität hat auch in den Vereinigten Staaten ihre Produktionskosten bislang nicht eingespielt. Vielleicht weil dieser unergründliche Blick zum Horizont, dieses "Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen" schon bestens und erschöpfend von David Duchovny und seiner "Akte X" bedient wird. Richard Gere jedenfalls kriegt die Story nicht zusammen. Er sollte sich in anderen Berufen bewähren. Modeschöpfer, Friseur, Heilpraktiker vielleicht. Da geht noch einiges.

Ralph Geisenhanslüke

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