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Kultur: Riff und Ruder

Eine RHEINFAHRT mit Christina Tilmann

Es war einmal, da war der Rhein noch wild und gefährlich. Stromschnellen, Riffe und Strudel schreckten die Fischer, und noch mehr verwirrte sie eine schöne Frau, die auf dem Felsen ihre langen blonden Locken kämmte: „Den Schiffer im kleinen Schiffe / Ergreift es mit wildem Weh; / Er schaut nicht die Felsenriffe, / Er schaut nur hinauf in die Höh“, dichtete Heine in seinem berühmtesten Gedicht, den Schiffer verschlucken am Ende die Wellen.

Heute dümpelt der Rhein um die Loreley, und nur noch die Touristenboote voller Amerikaner und Japaner ziehen unter Klängen des Loreley-Lieds am Felsen vorbei. Und mit wildem Weh ergreift es höchstens die Unesco-Beauftragten, wenn sie hören, dass demnächst eine Brücke die legendäre Loreley-Silhouette schneiden soll. Mit Aberkennung des Welterbe-Status für das Mittlere Rheintal wird gedroht, und ein Schelm, wer dabei an die Diskussionen um die Dresdner Waldschlösschenbrücke denkt.

Eine seltsame Brückenphobie scheint sich bei der Unesco breitgemacht zu haben. Mit praktischen Argumenten – hohes Verkehrsaufkommen am Dresdner Elbufer, zu flache Wasser für die romantischen Rheinfähren – ist einer ästhetischen Diskussion nicht zu kommen. Was aber mit der Vielzahl legendärer Brücken, die längst schützenswerte Kulturgüter sind und von der Unesco als solche anerkannt wurden? Die Brücken von Mostar (übrigens rekonstruiert) und von Višegrad (gerade aufgenommen), die Karlsbrücke in Prag, Rialtobrücke in Venedig, Engelsbrücke in Rom? Brücken, nutzt man sie nicht nur als schnöde Verkehrsflussregulatoren, gehören zu den schönsten und dankbarsten Aufgaben der Architektur. Statt sie zu verteufeln, sollte man sie fördern: Sie können eine Kulturlandschaft schmücken, nicht nur zerstören.

Nochmals Heine, ein anderes Gedicht: „Wie sie locken, wie sie schimmern! / Ach, wie komm ich da hinüber? / Mester Hämmerling, mein Lieber, / Kannst du mir die Brücke zimmern?“

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