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Rückkehrer. Ute Walther, René Kollo, Karan Armstrong und Victor von Halem als Altenheimbewohner.

© Braun/drama-berlin.de

Kultur: Rigolettos Rache

Opernaltstars übernehmen die Bühne: „Quartetto“ im Renaissance-Theater.

Bravo, das ist doch ein Coup! Ein Theaterstück, das im einem Altersheim für ehemalige Sänger spielt, tatsächlich mit ergrauten Diven und tapsigen Heldentenören zu besetzen. Und nicht irgendwelchen. Bei „Quartetto“ steht geballte Berliner Operngeschichte auf der Bühne des Renaissance-Theaters. Karan Armstrong, René Kollo, Victor von Halem und Ute Walther wurden viele Jahre gleich um die Ecke an der Deutschen Oper bejubelt und verehrt. In ihrem Charlottenburger Stammhaus fand 2013 auch die Deutschland-Premiere der Verfilmung von „Quartetto“ statt. Dustin Hoffmann hatte sich die Komödie um ein Leben nach dem Ruhm für sein Regiedebüt ausersehen – und als britisches Wohlfühl-Starkino zwischen Spitzenschmeißerei und Sentiment in Szene gesetzt.

Nun übernehmen Sänger die Bühne, die nicht nur so tun, als wüssten sie, was es heißt, wenn die Stimme brüchig wird. Alle stehen sie in ihrem achten Lebensjahrzehnt, voran René Kollo, der zu seinem 80. eine große Abschiedstournee plant. Reginald heißt er in seiner Rolle, was bei diesem durch und durch Berliner Charakterkopf unfreiwillig komisch und britisch ausgebremst wirkt. Reginald wedelt weltmännisch mit einem Wagner- Buch, das man mit dem Opernglas als Werk Kollos erkennen kann. Darin verteidigt er den Komponisten gegen seine Kritiker. „All das ist nicht wahr und wird hier richtiggestellt“, poltert es im Klappentext. Da ist Musike drin, zumal sich Kollo noch immer auf der Höhe seiner Möglichkeiten sieht, die Jugend hingegen auf dem völlig falschen Ausbildungsweg. Und in die Deutsche Oper, da kriegen ihn keine zehn Pferde mehr rein.

Leider kommen derlei herzhafte Attacken im Stück von Ronald Harwood nicht vor. Es wirkt in der Fassung des Renaissance-Theaters, besorgt von Regisseur Thorsten Fischer, zahnlos und bar jeden Rhythmusgefühls. Ohne Not und irgendwelche Folgen werden Plattitüden wie „Kunst ist die Arznei der Menschheit“ aufgesagt – dabei wüsste es jedes der vier versammelten Bühnentiere so viel besser; und vor allem tiefer. Stattdessen mimen sie mit wenig Fortune Sexsucht im Alter, Vergesslichkeitsschübe, Alkoholdurst und Kontrollwahn. Als Reginalds Exfrau Jean Horton (Ute Walther) neu ins Heim kommt, brummelt dieser so missmutig in seine Strickjacke, bis aus der einstigen Diva ein verzagtes „Sei doch mal nett zu mir“ herauspurzelt.

Was also Text und Schauspielversuche nicht zu sagen vermögen, wird der Musik überantwortet. Nicht etwa der Oper, die nur von fernen Einspielungen hereinweht, wenn etwa die Callas wieder einmal den Beweis antritt, dass das Leben und die Kunst keine Freunde sein können. Man singt Musical oder Chanson, setzt sich an die Stelle von Barbra Streisand oder Nat King Cole. Das klappt ganz gut, weil hier durchscheinen darf, was für nimmersatte Scheinwerfersucher die Mitglieder dieses „Quartetto“ doch sind. Zugleich bleibt dadurch lange offen, ob die Altstars die titelgebende Passage aus Verdis „Rigoletto“ tatsächlich noch einmal anstimmen werden, so wie einst. Kunst kann gnadenlos sein.

Nächste Vorstellungen am 26. und 28. Juni sowie vom 15. bis 17 Juli.

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