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Da war sie noch gut drauf: Rihanna 2013 in der 02-World. Am Dienstagabend waren von der Agentur keine Fotografen zugelassen.

© dpa

Rihanna in der Mercedes-Benz Arena: Mehr Schaum als Party

Rihanna singt und shaked, wirft sich in Ewok-braune Roben und dunkle Glitzer-Catsuits - doch Stimmung will während des Konzerts in der Mercedes Benz-Arena keine aufkommen.

Gottverdammt anstrengend, so eine Tour. Fahren, fahren, fahren, auspacken, einpacken, auschecken, einchecken, Sound checken. Work, work, work, work, work, beziehungsweise in diesem, in Rihannas Falle twerk, twerk, twerk, twerk, twerk. Seit 12. März wedelt sie den sagenumwobenen Behind vor den USA, vor Europa, vor Deutschland – vor München allerdings nur kurz, Angst wegen des dortigen Anschlags, wurde gemunkelt, vielleicht war ihr die Suite im Bayerischen Hof aber auch einfach zu zünftig.

Kein Wunder jedenfalls, dass Rihanna keine Böcke mehr hat. In Berlin, der letzten Station der „Anti World Tour“, mit der sie ihr achtes Album bewirbt, hat es sich doch einigermaßen ausgetwerkt. Obwohl, wenn man sich die schöne Frau aus Barbados genau anguckt, den neuen „Lob“ (Long Bob, das ist eine Frisur), die grünbraunen Katzenaugen, dann könnte es auch sein, dass sie noch nie so richtig Böcke gehabt hat: War ihr Gesichtsausdruck nicht immer schon eine coole Mischung aus Verachtung und Schläfrigkeit? „Throwing shade“ nannte man das im Black- und Latinoslang der queeren US-Welt, und obwohl eigentlich Verbales damit gemeint ist: Rihanna kann ihre Pfeile auch wortlos verschießen.

In der ziemlich ausverkauften Mercedes Benz-Arena klingt das am Dienstag Abend so, als ob ein Dancehall-DJ, der eigentlich ein knackiges, tanzbares Set im Koffer hätte, sich neben dem Pult mit einer Verehrerin festgequatscht hat, und die Musik nebenbei weiterlaufen lässt: Es kracht zwar ordentlich, es rumpelt, Rihanna lässt eine Menge ihrer schicken, 28-jährigen Körperteile kreisen. Sie wippt, wuppt, singt, jedenfalls ab und an. Der dreiköpfige Backgroundchor ist auch ziemlich stark involviert. Aber es geht nicht für fünf Pfennig ab. Und mal ehrlich, wozu braucht sie eigentlich diese ganzen Pausen? In erster Linie zum Umziehen, das ist klar. Sie wechselt vom Start-Wollweiß mit Chaps zu Beige mit geschnürtem Catsuit, dann zur Ewok-braunen Robe über dunklem Glitzer-Catsuit, dann zum sandfarbenen Oversized-Anzug mit braunem Bustier. Aber sie macht viel mehr Pausen, als sie Outfits heraushaut, zudem bleiben die Klamotten eh in einer Farbfamilie, die einst (okay, ist lange her, dennoch) Seniorenkleidung charakterisierte: „Ombrella“ müsste der Hit am Dienstag heißen, nicht „Umbrella“ (bzw. „Um-be-rel-la“, in ihrer charakteristisch viersilbigen Aussprache).

Wie Hoth nur ohne Tauntauns

Zusammen mit der in weißer und transparenter Folie eingekleideten Bühne, der in helle Stoffe gewickelten Band, der Ewok-Robe und den Tänzen in „Naturfarben“ erinnert das Setting an den Eisplaneten Hoth, nur ohne Tauntauns. Und irgendwie ohne Dramaturgie: Dachte man zu Beginn noch, der langsame Start, die Ballade „Stay“, die sie von einem schwebendem Steg herunter singt, dann die Ballade „Love The Way You Lie“, genauso schaurig traurig, würden vielleicht am Anfang einer genial-ausgefuchsten Steigerung stehen, die sich bald in allgemeines Wohlgefallen, in einen tanzenden, stampfenden Super-Dancehall-Dancefloor auflöst, so wird die Hoffnung bald von Katzenaugen zunichte gemacht, deren Pupillen kaum den unteren Lidrand berühren (throwing shade!). Klar spielt sie auch Tanzbares, lässt Dancehall-Beats dröhnen, die sich gewaschen haben. Sie singt „Umbrella“ und „Bitch Better Have My Money“ an, das bei seiner Veröffentlichung 2015 durch ein extrem brutales Video in den Fokus von internationalen Jugendschützern geriet. Dort wurde gefoltert, gequält, gerächt. Live ist es schnell vorbei, ein paar Tänzer sollen die nächste Umzugspause verkürzen. Sie machen das mit ihren Schlangenarmen und 360-Grad-Kugelschultergelenken auch ganz gut.

Und Rihannas Agentur stellt diese Bilder zur Tour zur Verfügung.
Und Rihannas Agentur stellt diese Bilder zur Tour zur Verfügung.

© David Wander/Livenation

Aber irgendwie ist schon den ganzen Abend die Luft raus. So wie bald auch aus den riesigen, aufgeblasenen Megaballons, die die Bühnendeko abrunden und wirken wie diese Zelte, in denen am Nordpol monatelang Klimaforscher frieren. Es war von Anfang an nicht genug Luft drin: Immer, wenn das wohlgesonnene Publikum sich endlich mal ein bisschen zu den langsamen 60bpm eingegroovt hat, wenn es gerade anfangen will, „Bad Gal“ und „Nasty Boy“ zu sein, auch mal ein bisschen die Weißbrote zu schütteln, stoppt die Show.

Stattdessen kommt ein musikalisches Intermezzo, das klingt, als ob gerade ein medioker erfolgreicher Schwergewichtsboxer zum Ring geht. Und übrigens sollte unbedingt mal einer wissenschaftlich untersuchen, wie viel das Handy-Filmen eigentlich vom Mitklatschen abzieht: Wer mit der einen Hand das Ding hochhält, und wegen des Tons auf der Aufnahme nicht schreien will, der bleibt auch bei der Aufforderung „Make some noise“ eher besonnen.

Und dann mal wieder die Flagge

Rihanna singt sich am Ende ihres Konzerts allerdings merkbar stärker in Stimmung, spielt von der Anti-Platte „Work“, „Consideration“, „Kiss it better“, singt „Desperado, „Rude Boy“ und „FourFiveSeconds“, während an der Bühnenhinterwand literweise Schaum eine Plastikfolie hinunterläuft, als plane ein besonders irrer Millionär eine besonders großzügige Schaumparty. Dann sagt Ri-Ri „Berlin! Berlin! Ihr habt mich immer unterstützt!“, widmet „Diamonds“ den Attentatsopfern von München, und lässt auf den Bildschirmen die deutsche Flagge wehen. Das Posieren mit der jeweiligen Landesflagge hat sich bekanntlich bereits vor längerer Zeit ins US-amerikanische Großentertainment eingeschlichen und sitzt dort nun fest wie eine Zecke.

Nun gut. Ri-Ri kann singen, sie kann shaken, sie ist eine Stil-Ikone in Ombre, sie kommt von einer Insel mit putzigen 278 000 Einwohnern, die alle am 21. Februar den „Rihanna-Tag“ zelebrieren, und mit viel Goodwill, um-die-Ecke-Denken und positiver „Pour it Up“-Interpretationswut könnte man sie als kinky Roots-Feministin deuten, die ihren Körper liebt und ehrt und selbstverwaltet. Eventuell hat man damit aber auch schon zu viel über sie nachgedacht.

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