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Kultur: "Ring": Richard Wagners unendliche Geschichte

Manche Menschen waren ja schon immer der Ansicht, Richard Wagner hätte gut daran getan, seinen "Ring" wortlos zu verfassen. Und man kann ihnen sogar zustimmen, wenn auch in einem ihrer Häme zuwiderlaufenden Sinne: Lorin Maazels symphonische Suite beweist nämlich erst so recht die großsymphonische Architektur von Wagners Tetralogie.

Manche Menschen waren ja schon immer der Ansicht, Richard Wagner hätte gut daran getan, seinen "Ring" wortlos zu verfassen. Und man kann ihnen sogar zustimmen, wenn auch in einem ihrer Häme zuwiderlaufenden Sinne: Lorin Maazels symphonische Suite beweist nämlich erst so recht die großsymphonische Architektur von Wagners Tetralogie. Wagners vokalisierter Original-"Ring" ist immer ein Ereignis, aber die von Lorin Maazel in den achtziger Jahren vorgenommene "symphonische Synthese", ist es nicht minder. Diese war, unter der Leitung des Bearbeiters, am Dienstag in der Philharmonie zu hören. Erstaunlich, wie schlüssig die orchestrale Bearbeitung wirkt. Hier einem Sakrileg nachspüren zu wollen, wäre ein müßiges Unterfangen! Denn nirgends wird Wagners Leitmotivik so transparent, wie in diesem rund siebzigminütigen "Soundtrack", insbesondere dann, wenn sie so luzide ausgeleuchtet wird, wie vom Berliner Philharmonischen Orchester. Nirgends in Wagners Originalwerk wird deutlicher, wie seine Motive miteinander verwoben und aufeinander bezogen sind.

Das Orchester hielt den von Lorin Maazel mal feinnervig, mal kraftvoll, immer aber elegant und fast kontemplativ vorgegebenen Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Minute, und Maazel begnügte sich - man kennt ihn nicht anders - mit kleinen Gesten für große Wirkungen. Zwischen ihm und den Musikern herrschte an diesem Abend ein übergangsloses Verstehen: ein Zündfunke, der schon im Augenblick seines Entstehens das ganze Orchester entfachte und dieses die ganze morbide Sinnlichkeit der Wagnerschen Musik voll ausspielen ließ. Bisweilen wirkten die Beteiligten wie berauscht von den eigenen Tönen: so ließen sich unbeschäftigte Musiker beobachten, wie sie vor Begeisterung geradezu ins Schunkeln gerieten.

Maazels Suite aus Wagners NibelungenSaga wirkte wie eine Art "Unendlicher Geschichte" aus dem Geiste der Musik, an deren Ende freilich echtes Bedauern darüber stand, dass auch ein solch rauschendes Fest leider nur endlich ist.

Friedemann Kluge

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