zum Hauptinhalt

Kultur: Risikofreundschaft

Rollenwechsel: Der Regisseur Sebastian Schipper kehrt für Tom Tykwers „Drei“ vor die Kamera zurück. Eine Begegnung

Ist über dem Kamin vielleicht doch noch ein Plätzchen für einen eingestickten Sinnspruch frei? Voilà: „Freundschaft ist so etwas wie Liebe mit Verstand.“ Gesagt hat das eine Frau, aber bei dem Thema sind bekanntlich auch Männer firm. Der Filmemacher Sebastian Schipper zum Beispiel, der zwei seiner bislang drei Regie-Arbeiten („Absolute Giganten“ und „Ein Freund von mir“) um jenes Sujet kreisen ließ: Seine Helden sind oder werden Freunde. Und stellen sich die Frage, wie weit Freundschaft gehen kann.

Auch als Schauspieler musste sich der 42-jährige gebürtige Oldenburger, der an der Otto-Falckenberg-Schule in München studierte, gerade damit beschäftigen. In Tom Tykwers unterhaltsamen Ménage-à- trois-Film „Drei“ spielt Schipper den Modellbauer Simon, der seit Jahren mit Hanna (Sophie Rois) zusammenlebt und ein Verhältnis mit einem undurchsichtig-charmanten Wissenschaftler (Devid Striesow) beginnt, nicht ahnend, dass der auch eine Affäre mit Hanna begonnen hat. Und dass der Film trotz Drama, Kunstbetrieb-Welt und ganz schön vielen plötzlich zusammenlaufenden Fäden nie ins Künstliche, ins Gefühlsduselige abrutscht, liegt unter anderem an der greifbaren Authentizität, die Schipper seiner Rolle verleiht.

Eigentlich wollte er nicht mehr aus dem Regiefach heraus. Auch bei seinem letzten Film „Mitte, Ende August“, der 2008 entstand, hatte er das Drehbuch geschrieben und stand danach ausschließlich hinter der Kamera. „Ich habe zehn Jahre mit Schauspiel nichts zu tun gehabt und auch vorher eher sporadisch. Erst durch diese Arbeit wurde mir klar, dass es noch etwas in mir drin gab, was sich danach sehnte. Bewusst war das überhaupt nicht mehr da“, erzählt er, während draußen ein mediokrer Schneesturm tanzt, in einem Restaurant in Mitte unweit des Schreibtischs, an dem gerade sein nächster Film entsteht. Er hat damals mit dem Beruf angefangen, weil das „mit einem Traum, mit Egozentrik“ zu tun hatte, erinnert er sich. Dann habe sich aber etwas geändert. Schipper zitiert den Rapper Jay-Z: „The irony is, to maintain the business, you gotta become a true artist.“

Ein Prioritätenwechsel hat stattgefunden. Den kleinen, mit Medienaufmerksamkeit verbundenen Bohei um seine Person rund um den Filmstart von „Drei“ möchte er am liebsten gar nicht wahrhaben: „Der Gedanke, so eine halb öffentliche Person zu sein, ist trotz meines öffentlichkeitsnahen Berufs für mich eher seltsam“, sagt Schipper, bestellt ein Bier und spricht lieber über die Zusammenarbeit mit Rois, Striesow und seinem Freund Tom. „Manchmal denke ich, das ist doch ganz normal. Und dann merke ich: Nein, das ist es überhaupt nicht. Das ist ein wahnsinniges Glück!“, und meint die Erfahrung, mit einem Freund, dem man beruflich vertraut, einen Film auf die Beine zu stellen. Was, wenn es schiefgegangen wäre? „Bestimmt war das auch ein Risiko für uns beide“, findet Schipper, „denn man hat als Regisseur nur eine Beziehung zu seinem Hauptdarsteller: Entweder macht der, was man für den Film braucht, dann liebt man ihn persönlich. Oder er macht es nicht, dann findet man ihn doof. Ist natürlich totaler Quatsch!“

Offenbar hat die Tatsache geholfen, dass Regisseur und Hauptdarsteller sich kennen, seit Schipper 1997 eine kleine Rolle in Tykwers Drama „Winterschläfer“ übernahm. Seitdem ist keiner dem anderen je in die Quere gekommen. „Ich hab schnell gemerkt, dass eine der Aufgaben eines Schauspielers ist, auf eine bestimmte Art verantwortungslos zu sein. Sich eben nicht um alles zu kümmern und zu sorgen“, sagt er. Das hat ihm gefallen.

Dennoch hat er jetzt genau das, was für anders getaktete Menschen das Höchste wäre: Er sieht sein Gesicht, seine Gestalt, seinen nackten Körper groß im Kino, guckt von Titelblättern, wird nach Privatem gefragt. Dass Menschen, die in ähnlichem Alter und in ähnlichen Verhältnissen leben, meinen, ihn zu kennen, ist merkwürdig, aber nachvollziehbar. Die Verwechslungsgefahr ist groß in einem derartigen Film, der in einer real anmutenden Welt und mit sehr reellen Personen spielt.

„Schauspielern hat etwas damit zu tun, sich zu erkennen zu geben“, sagt Schipper. Das ist die Schwierigkeit, sogar für einen mit jahrelanger Berufserfahrung: „Wenn die Kamera läuft und man nicht nervös wird, ist das komisch. Das natürlichste und sympathischste, das jemand tun kann, wenn die Kamera angeht, ist krampfig werden und Bammel bekommen. Sonst stimmt ja eigentlich was nicht.“ Vielleicht ergibt sich daraus eben jene Authentizität, die Tykwer bei der Besetzung der Rolle an seinen alten Freund denken ließ. Der Regisseur hatte seiner Casterin Simone Bär im Vorfeld sogar gesagt, er suche „so einen Typen“ wie Schipper. Trotzdem ist die Figur ihm nicht auf den Leib geschrieben. Und eine Dreierbeziehung hatte Schipper auch noch nicht.

Er bestellt noch ein Bier und sucht mit Vergnügen Gleichnisse dafür, wie sich die Arbeit von Darsteller und Regisseur unterscheiden. „Das ist wie beim Elfmeterschießen“, sagt er über das Schauspielern, „viel einfacher und viel komplizierter, als man denkt.“ Als Regisseur könne man sich dagegen wie auf einem Kindergeburtstag benehmen: „Entweder ist man nett zu allen, sorgt dafür, dass die Party läuft, oder man streitet sich mit jedem, so dass alle Gäste danach sauer sind.“

Der Unterschied zwischen Männer- und Frauenfreundschaften? Gängigen Vorurteilen zufolge schweigen die einen mehr, während die anderen plappern. Stimmt das? Schipper bestätigt, dass auch er mit Freunden nicht unbedingt immer reden muss. Und gibt zu verstehen, dass das für dieses Gespräch jetzt ebenfalls gilt. Draußen ist es dunkel, er muss zurück an den Schreibtisch. Der nächste Film, ein Thriller, schreibt sich schließlich auch nicht von selbst.

„Drei“ läuft ab Donnerstag im Kino.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false